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Herr Ternes, was verstehen Sie als Architekt unter Nachhaltigkeit?
In erster Linie übergeordnet den Stadtumbau. Dazu muss ich etwas ausholen. Als Architekt hat man eine gesellschaftliche Verantwortung. In der Nachkriegszeit ging es um Wachstum. Beim schnellen Wiederaufbau wurden aus heutiger Sicht auch Fehler gemacht, die man den Verantwortlichen von damals aber nicht unbedingt ankreiden kann. Das Resultat: Heute, 70 Jahre nach dem Krieg, begegnen uns Städte, die in Teilen nicht mehr funktionieren, weil mittlerweile Bausubstanz marode ist oder es andere Ansprüche an Gebäudenutzung gibt wie z. B. die Barrierefreiheit und auch die Mobilität. Viele Altbauten sind nicht mehr zeitgemäß bzw. die Küchen und Bäder zu klein. Es gibt große 4- bis 5-Zimmer-Flurwohnungen in den oberen Geschossen, dazu ohne Fahrstuhl und ohne Balkon, die heute schwer zu vermieten sind. Unausgebaute Speicher bieten Potenzial, Wohnraum zu schaffen. Die meisten Gebäude sind schlecht gedämmt und verbrauchen viel Energie.
Was soll Ihrer Meinung nach mit diesem Wohnraum passieren?
Sanierung und Umbau oder, wenn dies nicht zielführend ist, sehen wir oft den Rückbau als nachhaltige Lösung. Dies betrifft ebenso die vielen leerstehenden Büro- und Gewerbeflächen in den Obergeschossen der Innenstadt. Wir müssen diese Flächen wieder bewohnbar machen, damit die Städte dauerhaft belebt werden und nicht ausbluten. Im Belgischen Viertel in Köln ist dies zum Beispiel hervorragend gelungen. Wohnraum mitten in der Stadt.
Gibt es auch Beispiele in Koblenz?
Unser Büro hat ein Mehrfamilienhaus mit viereinhalb Geschossen in guter innerstädtischer Lage, aber mit alter Bausubstanz, hohen Decken, ohne Aufzug und damit uneffizient zurückgebaut. Die Wohnraumhöhe beträgt nun 2,75 Meter. Wir haben bei gleicher Firsthöhe ein neues fünfgeschossiges, barrierefreies Gebäude erstellt mit 15 neuen 40 bis 65 Quadratmeter großen Wohnungen, barrierefrei nach dem neuesten Stand der Technik. Zuvor waren es nur acht Wohnungen.
Welche Wohnungsgrößen sind dabei entstanden?
Wir planen Gebäude mit einem unterschiedlichem Wohnungsmix. Kleinere Wohnformen braucht es zukünftig mehr. Nicht nur für junge Leute und Paare, sondern auch für Senioren. Denn nur wenn es passenden barrierefreien Wohnraum u.a. für Senioren in einer attraktiven Mischstruktur gibt, kommt für diese Altersgruppe ein Umzug aus ihren großen Eigenheimen vor den Toren der Stadt in Frage. Und somit gibt es wieder mehr freiwerdende Häuser in gewachsener Lage für junge Familien.
Hat Nachhaltigkeit nicht auch etwas mit Wiederverwertbarkeit zu tun?
Auf jeden Fall. Zukünftig müssen Wertstoffhöfe für den Rückbau von Gebäuden eingerichtet werden. Es können viele gebrauchte Baumaterialien aufbereitet und wieder eingebaut werden. Leider scheitert dies häufig an baufachlichen Zulassungen. Da liegt viel ungenutztes Potenzial. Wir wollten z.B. eine Schule mit einer Recyclingfassade bauen. Das ist Stand heute noch wegen der fehlenden baufachlichen Zulassung gescheitert. Hier muss global unbedingt ein Umdenken stattfinden. Im Re- oder Upcycling lieht die Zukunft und damit das größte Potenzial Nachhaltigkeit zu wirtschaften.
Was können Architekten heute besser machen?
Gebäude sollten zunächst multifunktional und energetisch am Puls der Zeit ausgerichtet werden. Es können z. B. Bürogebäude vorausschauend geplant werden, so dass später auch Wohnraum entsteht, gleiches gilt für Kindergärten, auch was die Erweiterbarkeit, Anbau und Aufstockung sowie Umnutzung anbelangt. Wir wissen heute noch nicht wie sich der Bedarf entwickelt. Wichtig ist nach wie vor die städtebaulich gewachsenen Kerne zu stärken, bestehende Bausubstanzen zu erneuern oder umzunutzen und eine Entwicklung innen vor außen anzustreben.
Von Petra Dettmer
Foto: Ternes