Multiple Sklerose – Leben mit der Diagnose

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Der richtige Umgang mit der Diagnose Multiplesklerose für den Patient

Gespräch mit Chefarzt Dr. Dieter Pöhlau, DRK Kamillus Klinik Asbach:
Multiple Sklerose ist eine Erkrankung, die durch unsere Ministerpräsidentin Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz durchaus eine gewisse Bekanntheit erlangt hat. Wir sehen unsere Landeschefin, die seit vielen Jahre erkrankt ist, ihre Arbeit machen, erleben aber auch mit, dass es ihr hin und wieder nicht gut geht und sie auf einen Rollstuhl angewiesen ist.

Was ist denn eigentlich Multiple Sklerose?

Bei Multipler Sklerose erkranken Gehirn und Rückenmark an einer chronischen Entzündung, die mal mehr, mal weniger stark verlaufen. Ursache hierfür ist das eigene Immunsystem. Das verwechselt körpereigenes Myelin, die „Isolierschicht“ um die Axone, die für die Weiterleitung von Informationen im zentralen Nervensystem mittels elektrischer Impulse zuständig sind. Es entstehen viele (multiple)  Entzündungen, die im weiteren Verlauf die Schutzschicht schädigen, weil das Gewebe nach dem Abklingen der Entzündungen nicht mehr so weich und flexibel wie vorher ist (es wird sklerotisch).  Die Erkrankung tritt häufig im jungen Erwachsenenalter auf und trifft Frauen häufiger als Männer. „Viele Patient*innen kommen mit diffusen Störungen zu uns,“ weiß Dr. Dieter Pöhlau, der stellvertretende Bundesvorsitzender der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft ist. „Häufig beginnt MS mit neurologischen Symptomen wie zum Beispiel Sehstörungen, Gefühlsstörungen, Gleichgewichtsstörungen, Müdigkeit und Energieverlust. Diese Symptome sind ein Anzeichen für eine erste entzündliche Reaktion, die sich aber in der Regel wieder zurückbildet. Eine Diagnose wird häufig erst später gestellt, wenn es zu weiteren Problemen kommt.“ Wenn die Störungen nicht schnell wieder verschwinden oder wenn es zu weiteren Problemen kommt, beginnt die Suche nach der Ursache. Die Diagnose Multiple Sklerose wird nicht leichtfertig gestellt: „Es müssen viele Bausteine zusammenpassen. Wichtig ist, alle anderen Erkrankungen, die auch mit einer neurologischen Symptomatik einhergehen, auszuschließen.“ Um das sicher sagen zu können, durchlaufen die Patient*innen einige Untersuchungen, wovon die Befragung, die neurologischen Ausfälle betreffend, nur ein Teil ist. Um sicher von Erkrankungen wie Neuroboreliose oder Kollagenose unterscheiden zu können, machen sich die Ärzte auf die Suche nach der Entzündung, die bei MS der Grund für die Probleme ist. Hier kommt ein Kernspintomograph ebenso zum Einsatz wie die Rückenmarks-Punktion und die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit. „Ist ein Patient erkrankt, finden wir Entzündungszeichen im Nervenwasser oder Herde in Schädel oder Rückenmark.“

Für die Betroffenen ist die Diagnose zunächst ein Schock, denn auch wenn die Forschung mittlerweile sehr viel Licht ins Dunkel gebracht hat, eine chronische Erkrankung bleibt MS auf jeden Fall. Aus diesem Grund hält Dr. Pöhlau die psychologische Betreuung der Patienten für ebenso wichtig wie die Behandlung mit Medikamenten. „Wir haben dieser Tage viele Möglichkeiten, der Erkrankung zu begegnen. Die gute Nachricht ist, dass an MS erkrankte Menschen eine fast normale Lebenserwartung haben wie alle anderen auch. Bei Diagnosestellung und auch im weiteren Verlauf ist aber die psychologische Begleitung ein wichtiger Baustein der Therapie, denn die Psyche spielt beim Verlauf eine große Rolle.“ Beim Großteil der Betroffenen verläuft die Krankheit schubförmig, die Phasen, in denen sich neue Entzündungen entwickeln.

Die MS ist zwar zurzeit noch nicht heilbar, aber immer besser behandelbar. Nach neuen Erkenntnissen soll frühzeitig mit einer Dauertherapie begonnen werden. Da von Anfang an Axone und davon abhängige Nervenzellen untergehen, ist ein früher öfter praktiziertes Abwarten heute kaum mehr zu vertreten. Es konnte gezeigt werden, dass durch eine Frühtherapie bereits nach dem ersten Schub das Auftreten des zweiten Schubes hinausgezögert werden kann.

Der akute Schub sollte schnellstmöglich aber nur kurz mit hochdosiertem Kortison behandelt werden. Eine Kortisondauertherapie ist wegen der Nebenwirkungen zu vermeiden.

Oft ergänzen sich medikamentöse Therapien, Krankengymnastik, Ergotherapie, Elektrotherapie, Sprech- Atem- und Schlucktherapie sowie gegebenenfalls Entspannungstherapien im Sinne einer umfassenden „ganzheitlichen“ Behandlung.

Immer wieder werden auch „Wundermittel“ und „Wunderheilungen“ angeboten, die meist teuer und oft auch gefährlich sind. Hier sollte immer ein Experte gefragt werden, Schwerpunktpraxen und MS-Spezialkliniken, MS-Ambulanzen und die DMSG können diesbezüglich beraten.

Die Lebensqualität hängt auch von der seelischen Krankheitsverarbeitung und vom familiären und sozialen Umfeld ab. Die DMSG bietet Hilfen, Kurse und berät.