Künstliche Intelligenz im wirklichen Leben

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Bild auf dem sich eine Roboter Hand und eine menschliche Hand in der Mitte berühren. Der Stil erinnert sehr an Da Vinci.

Künstliche Intelligenz ist allgegenwärtig. In Sprachassistenten, Chatbots, Streamingdiensten, Fabriken, autonomen Fahrzeugen und sogar in der Kunst – KI wird unser berufliches und privates Leben immer mehr verändern. Obwohl inzwischen zahlreiche Menschen künstliche Intelligenz nutzen, verstehen sie nur bedingt, wie und warum sie funktioniert.

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Transformation Im November 2022 herrschte weltweit ungläubiges Staunen. Das US-Softwareunternehmen OpenAI stellte seinen „Generative Pre-trained Transformer“ (GPT) vor. Unter der Bezeichnung ChatGPT nutzt dieser dialogbasierte Chatbot künstliche Intelligenz, um Sprache zu verstehen und so eine der menschlichen Sprache ähnelnde Antwort zu erzeugen.

Von Hans-Rolf Goebel

Die einen sind restlos begeistert von der Vielzahl der Möglichkeiten, die der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) bietet. Die anderen beschleicht eher ein gewisses Unbehagen, wohin diese Entwicklung führen wird und ob sie zu jedem Zeitpunkt beherrschbar bleibt. Der Siegeszug der zwei Buchstaben, ob KI oder AI, erscheint ohnehin unaufhaltsam, weil sich die Verwendung von künstlicher Intelligenz inzwischen in unzähligen Lebensbereichen findet – auch dort, wo man die Lernprozesse der Algorithmen nicht unbedingt erwarten würde. Das Bestreben des Menschen, sein Wissen auf einen Computer zu übertragen und diesen dann logische Schlüsse daraus ziehen zu lassen, ist mehr als 70 Jahre alt. Alan Turing, im Film „The Imitation Game“, brillant dargestellt von Benedict Cumberbatch, war ein britischer Mathematiker, Logiker und Kryptoanalytiker. Mit dem Berechenbarkeitsmodell der Turingmaschine legte er die theoretische Basis für die heutige Informations- und Computertechnologie. Für die britische Regierung entschlüsselte er mit nur 27 Jahren fast im Alleingang die Chiffriermaschine „Enigma“ der deutschen Wehrmacht. Und im Jahr 1950 formulierte Turing ein völlig neues Konzept zur Automatisierung intelligenten Verhaltens – die künstliche Intelligenz.

Für Christian Steffes, operativer Geschäftsführer von Infrasolute in Boppard, ist das Zusammengehen von Sensorik und KI eine perfekte Kombination. Infrasolute ist fokussiert auf IoT Sensorlösungen für die vorausschauende Onlinewartung und -überwachung von Bauwerken und Infrastruktur. IoT – das „Internet der Dinge“ (Internet of Things) verbindet physische Objekte, Systeme, Plattformen und Anwendungen über das Internet. Diese können dann untereinander Daten austauschen und miteinander interagieren. „Unsere Sensoren werden in Brücken, Dachkonstruktionen, aber auch Leitplanken verbaut. Wir machen mit unseren Sensoren Dinge sichtbar, die unsichtbar passieren – Verschleiß, Korrosion, Rissbewegungen“, sagt Steffes. Die Sensoren, die Infrasolute mit Unterstützung des Fraunhofer-Instituts entwickelt hat, arbeiten ohne Batterie oder Kabel und haben eine Lebensdauer von gut 80 Jahren. Sie werden zum Beispiel bei Brücken komplett in den Beton eingelassen und registrieren dort jede noch so geringfügige Veränderung in ihrer Umgebung. Die Sensoren enthalten eine Spule, die von einem fest installierten oder mobilen Lesegerät für die Datenübertragung in Schwingungen gebracht wird.

„Die Schlüsse, die wir mittels KI aus unseren Daten ziehen können, beispielsweise zum Feuchtigkeitseintritt oder Korrosionsgrad, versetzen einen Bauherrn in die Lage, frühzeitig zu handeln.“

Christian Steffes, operativer Geschäftsführer von Infrasolute in Boppard

„So erhalten wir regelmäßige Zeitpunktbetrachtungen, die in ihrer Gesamtheit unzählige Daten zum Bauwerkszustand liefern. Und dann kommt KI ins Spiel,“ erläutert Steffes. KI verwendet die sensorbasierten Daten, ordnet sie für eine Datenanalyse und kann diese Erkenntnisse dann mit ihrem hinterlegten Algorithmus auf andere Bauwerke projizieren. „Die Schlüsse, die wir mittels KI aus unseren Daten ziehen können, beispielsweise zum Feuchtigkeitseintritt oder Korrosionsgrad, versetzen einen Bauherrn in die Lage, frühzeitig zu handeln.“

Dabei ist wichtig, dass die KI intensiv angelernt wird. Denn je mehr Schadensfälle sie abgespeichert hat, desto treffsicherer wird die Kategorisierung nach Schadenstypen und -mustern. Für Steffes ist wichtig, dass seine KI menschliches Handeln unterstützt und nicht ersetzt. „Die Kontrolle bleibt beim Menschen, in unserem Fall beim Prüfingenieur. Aber wir geben ihm ein wertvolles Instrument an die Hand, um seine Arbeit verfeinern zu können.“

 

Sensoren auf einem Baugitter aus Metall.

Die Sensoren der Firma Infrasolute aus Boppard werden in Bauwerke integriert und sind komplett von Beton umschlossen. Sie registrieren dort jede noch so geringfügige Veränderung in ihrer Umgebung – Verschleiß, Korrosion oder Rissbewegungen. Die so gewonnenen Daten werden von KI analysiert und auf vergleichbare andere Bauwerke projiziert.

Foto: Infrasolute

Auch bei Audiotainment Südwest, dem Mutterunternehmen von Sendern wie RPR1., Radio Regenbogen, Regenbogen Zwei und BigFM, hat KI im großen Stil Einzug gehalten. Andy Abel, Leiter Digital, ist die Begeisterung für diese neue Entwicklung deutlich anzumerken. „KI ist bei uns mittlerweile die Klammer von allem. Wir nutzen aktuell mehr als zehn KI-Tools, zum Beispiel für die Bildbearbeitung, für Videokreationen, für Texte, Präsentationen und sogar für die Unterdrückung von Nebengeräuschen bei O-Ton-Aufnahmen. Unser Ziel ist: Wie bekommen wir KI in unser Unternehmen hinein und wie überzeugen wir unsere Mitarbeiter vom Mehrwert?“

Dass nicht alle Mitarbeiter von Anfang an mit Begeisterung auf den KI-Zug aufgesprungen sind, kann Abel verstehen. „Natürlich gibt es auch die Sorge, mittel- oder langfristig durch KI ersetzt zu werden. Das war für uns nie das Ziel. Wir wollen durch Automatisierung Zeit sparen, mehr Freiraum für Kreativität schaffen und Mitarbeiter von repetitiven Aufgaben entlasten.“

Abel hat sich dafür ein Modell mit vier Stufen einfallen lassen: welche Informationen brauche ich aus dem Internet, welche Datenbank nutze ich dafür, mit welchen KI-Tools verbinde ich sie und wie definiere ich das gewünschte Ergebnis. Aber Abel hat sich nicht nur darauf beschränkt, Bestehendes nutzbar zu machen. „Wir sind einen mutigen Schritt gegangen und haben ein eigenes, komplett KI-basiertes Programm aus der Taufe gehoben.“

Mit Ki-Erstelltes Bild, einer Dame im Jumpsuit mit einem großen Headset und braunen Haaren.

Audiotainment Südwest hat ein eigenes, komplett KI-basiertes Programm aus der Taufe gehoben. BigGPT wird moderiert von der Kunstfigur BigLayla, die tatsächlich mit Hörern interagiert. Die Playlist des Senders stellt KI aus den meistgestreamten Songs zusammen.

Foto: Audiotainment Südwest

BigGPT wird moderiert von der Kunstfigur BigLayla, die tatsächlich mit Hörern interagiert. Die Playlist des Senders stellt KI aus den meistgestreamten Songs zusammen der Ratgeber BigBen vermittelt „Wissensbits“ und mit BigBro können die Hörerinnen und Hörer chatten.

Abel nennt BigGPT ein Lernlabor. Man habe das Projekt von Anfang an wie eine Versuchsanordnung betrachtet – ohne die Angst, Fehler zu machen, ohne den Blick auf Reichweite und Hörerzahlen und ohne das neue Programm zu bewerben. Ein Vertrauensbeweis der Geschäftsführung, meint Abel. “Das war wichtig, denn sonst probiert man nichts aus und BigGPT hätte seine Leichtigkeit verloren. Plötzlich war KI nicht mehr nur abstrakt, sondern hörbar und erlebbar. Und wir waren mit der Umsetzung sehr schnell.“

Unterstützung holte sich Abel bei der Firma Futuri in Cleveland, USA, die mit der Schaffung eines solchen KI-Radioprogramms bereits Erfahrung hatte. Innerhalb von sechs Monaten ging BigGPT auf Sendung. So spielerisch der Ansatz für das Lernlabor war, so streng sind die Regeln für die Ausstrahlung des Programms. Nichts geht On-Air oder Online, das nicht im Rahmen eines Vier-Augen-Prinzips kontrolliert wurde. Deshalb sind alle Beiträge vorab aufgezeichnet, bevor sie auf Sendung gehen. „Wir machen Entertainment, aber auch das muss hundertprozentig korrekt sein. KI kann man nicht einfach laufen lassen. Bisweilen halluziniert die Maschine auch“, sagt Abel.

Auch Prof. Dr. Maik Kschischo, Professor am Institut für Informatik der Universität Koblenz und Experte für KI im Gesundheitswesen, warnt davor, sich vollständig auf künstliche Intelligenz zu verlassen. Das sogenannte „Machine Learning“ werde nie perfekt sein. „Unser Ziel ist es, eine leistungsfähige KI zu entwickeln. Zuerst wurde sie in der Biotechnologie eingesetzt, dann verstärkt auch in der Krebsforschung. Dabei soll unsere Arbeit nicht Menschen ersetzen, sondern ihnen assistieren.“

Kschischo hat in der Fachwelt unlängst Aufsehen erregt, als er in einem Forschungsverbund mithilfe künstlicher Intelligenz ein Vorhersagesystem für schwere Verläufe von Covid-19-Erkrankungen entwickelte.

„Unsere Aufgabe ist die Grundlagenforschung. Wir suchen in den Datensätzen, die uns zur Verfügung stehen, mit unserer KI nach Prädiktoren, die uns zeigen, wie eine Sepsis verlaufen wäre, wenn man für den Patienten eine andere Behandlung gewählt hätte.“

Prof. Dr. Maik Kschischo, Professor am Institut für Informatik der Universität Koblenz und Experte für KI im Gesundheitswesen

Derzeit arbeitet er an Rechenmodellen, die eine datengetriebene Behandlungsoptimierung für Patienten möglich machen. Seine KI trainiert er an den Daten von Zehntausenden von Patienten, die eine Sepsis, also eine lebensbedrohliche Blutvergiftung, hatten. „Ein Arzt hat beim Auftreten einer Sepsis in der Regel nur knapp eine Stunde Zeit, um sie wirkungsvoll zu bekämpfen“, sagt Kschischo.

Mit seiner Datenanalyse will er dazu beitragen, dass Ärzte kurzfristig entscheiden können, welches Antibiotikum das Mittel der Wahl ist, um die Sepsis einzudämmen und gleichzeitig die Nebenwirkungen auf Niere oder Leber so gering wie möglich hält. Mit einem KI-Muster wäre es dann leichter, Medikamente nach den individuellen Patientenvoraussetzungen auszuwählen.

In der Spitzenmedizin wird „Precision Medicine“ bereits eingesetzt, in der Breitenmedizin so gut wie nicht. „Unsere Aufgabe ist die Grundlagenforschung. Wir suchen in den Datensätzen, die uns zur Verfügung stehen, mit unserer KI nach Prädiktoren, die uns zeigen, wie eine Sepsis verlaufen wäre, wenn man für den Patienten eine andere Behandlung gewählt hätte“, erläutert der KI-Experte.

Bild eines DNA-Strangs, das künstlich erweitert wurde.

Auch aus der Biotechnologie und der Medizin ist künstliche Intelligenz nicht mehr wegzudenken. Auf die Daten des sogenannten Humangenomprojekts (HGP) greifen Forscher der Universität Koblenz noch heute zurück. Es wurde im Herbst 1990 mit dem Ziel gegründet, das Genom des Menschen vollständig zu entschlüsseln, was im Jahr 2000 gelang. Mit maschinellen Lernverfahren analysieren die Forscher DNA-Sequenzen, um darin Ähnlichkeiten und Muster zu erkennen.

Foto: xKas/stock.adobe.com

Das Modell beruht auf kausalem Machine Learning, ein moderner Ansatz, der Verzerrungen in den Daten korrigieren kann. Von zentraler Bedeutung sind dabei die Zeitverläufe, die Kschischo untersucht. Sein Ziel: Eine bessere klinische Entscheidungsunterstützung, die den Ärzten die Entscheidung nicht abnimmt, aber die sie objektiver macht. Das kann Leben retten, spart Zeit und Ressourcen und bringt mehr Effizienz angesichts der immer geringer werdenden Zahl an Medizinern.

Das größte Problem stellt für Kschischo und seine Kollegen die Datenlage im Gesundheitswesen dar. Für die aktuelle Sepsis-Forschunggreift er auf Daten von Universitätskliniken in den USA und den Niederlanden zurück. In Deutschland an klinische Daten zu gelangen, sei äußerst schwierig. Etwas einfacher sei es in der Krebsforschung. Dort gebe es viele frei verfügbare Datensätze, in die die Daten von Medizinern und Biologen integriert sind und die für den Einsatz von KI genutzt werden können. Auf die Daten des sogenannten Humangenomprojekts HGP) greift Kschischo noch heute zurück. Es wurde im Herbst 1990 mit dem Ziel gegründet, das Genom des Menschen vollständig zu entschlüsseln, was im Jahr 2000 auch tatsächlich gelang. Die vollständige Sequenzierung dieses Genoms bildet unter anderem die Grundlage für die Möglichkeit, Erbkrankheiten zu erforschen und molekulare Mechanismen der Krebsentstehung besser zu verstehen.

Zur Person

Portrait Christian Steffes

Christian Steffes wurde in Koblenz geboren und machte von 2011 bis 2014 eine Ausbildung zum Automobilkaufmann bei einem deutschen Nutzfahrzeughersteller und arbeitete dort bis 2022. Berufsbegleitend hat Steffes einen B. A. in Business Administration und einen M. Sc. in Finance und Accounting gemacht.

Seit 2022 ist Steffes operativer Geschäftsführer der Infrasolute in Boppard. Die schweizerisch-deutsche Unternehmensgruppe ist auf IoT-Sensorlösungen unter Zuhilfenahme von KI für die vorausschauende Onlinewartung und -überwachung von Bauwerken und Infrastruktur spezialisiert.

Foto: Infrasolute
Portrait Andy Abel


Andy Abel wurde 1982 geboren. Nach seinem Studium mit einem Master-Abschluss in Business Administration, Schwerpunkt Digitales Marketing, und einem Diplom in Medien und Kommunikation, nahm er seit 2008 unterschiedliche Marketing-Aufgaben bei den Sendern RPR1. und BigFM wahr.

2021 wurde er Leiter Digital des Gesamtunternehmens Audiotainment Südwest.

Seit 2018 ist Abel Dozent an der IHK für Digital-Marketing-Themen.

Seit 2020 lehrt er ebenfalls an der CBS International Business School, Köln

Foto: Audiotainment Südwest
Portrait Prof. Dr. Maik Kschischo


Prof. Dr. Maik Kschischo hat Physik in Halle und Berlin studiert. Schon während seiner Doktorarbeit am Max-Planck-Institut in Potsdam beschäftigte er sich mit maschinellen Lernverfahren für die Analyse von DNA-Sequenzen.

KI und Data Science waren auch seine Aufgaben in einem Heidelberger Biotechnologieunternehmen.

2011 war er Gastwissenschaftler bei Cancer Research UK in London.

Seit 2024 ist er Professor für künstliche Intelligenz mit Schwerpunkt KI im Gesundheitswesen am Institut für Informatik der Universität Koblenz.

Foto: Hans-Rolf Goebel

 

Wie berechenbar ist KI?

Bild eines weißen Roboters, der lesend in einer Bibliothek steht.

Viele Radiohits, die uns ins Ohr gehen, werden heute nicht mehr komponiert, sondern hergestellt. KI ermittelt durch Algorithmen den gängigen Musikgeschmack, kombiniert Bekanntes und Unbekanntes oder vereint unterschiedliche Musikrichtungen. Einem ähnlichen Prinzip folgt auch KI im Bereich der Malerei. Aus Tausenden von Bildern kreiert sie ein neues Werk durch einen Mix aller Motive.

Es wird immer schwieriger zu erkennen, ob ein Bild, ein Video oder eine Information menschlicher oder künstlicher Intelligenz entspringt, ob sie echt ist oder manipulieren will. Die Website Whichfaceisreal.com spielte schon 2019 mit dieser Ungewissheit und führte vor Augen, dass man nicht allem trauen sollte, was man sieht. Die von Wissenschaftlern der Universität Washington entwickelte Website stellte immer zwei Gesichter gegenüber, von denen eines tatsächlich einem Menschen gehörte, das zweite hingegen mit künstlicher Intelligenz geschaffen wurde. Die Unterscheidbarkeit ging gegen null. Heute sind diese Methoden, vor allem als Deepfake, noch deutlich ausgefeilter.

Was passiert, wenn Mensch und Maschine nicht nur ebenbürtig sind, sondern die Intelligenz der Maschine, die menschliche übertrifft? Das Gehirn des Menschen ist in der Lage, acht Bit pro Sekunde bewusst zu verarbeiten. Der menschliche Verstand ist langsam und erfasst nur geringe Datenmengen. Die Leistungsfähigkeit von Computern verdoppelt sich etwa alle drei Jahre. Kann die geringere Gehirnleistung die höhere Intelligenz auf Dauer kontrollieren? Oder öffnen wir mit KI vielleicht die Büchse der Pandora?

Das beschäftigt Filmemacher schon seit Jahrzehnten. In Stanley Kubricks Klassiker „2001: Odyssee im Weltraum“, der bereits im Jahr 1968 entstand, übernimmt der Computer HAL 9000 nach und nach das Kommando an Bord des Raumschiffs Discovery. Im Film „I, Robot“ laufen humanoide Roboter aus dem Ruder. Und auch Filme wie „Matrix“ und „Terminator“ befassen sich mit einer menschengeschaffenen Technologie, die sich gegen den eigenen Schöpfer wendet, weil sie schneller, stärker, und eben auch intelligenter ist.

Vielleicht sollten Wissenschaftler nicht gleich als Schwarzmaler und Fortschrittsverweigerer abgestempelt werden, wenn sie Sicherungsmechanismen fordern für den Fall, dass ein intelligentes System versucht, sich zu verselbstständigen.

Foto: Andrey/stock.adobe.com

Rechtliche Aspekte von KI

Portaitbild Dr. Dirk Lindloff
Foto: Dr. Caspers, Mock & Partner mbB

Der rechtliche Rahmen in Bezug auf KI ist in vielen Bereichen noch nicht geklärt. Dr. Dirk Lindloff, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und Fachanwalt für Informationstechnologierecht bei Dr. Caspers, Mock & Partner in Koblenz, informiert über den aktuellen Stand:

Als das Thema ChatGPT im November 2022 aufkam, war eine der ersten Fragen, mit welchem Material die KI Modelle überhaupt trainiert wurden. Immerhin handelt es sich meist um urheberrechtlich geschützte Werke. Für Deutschland wurde diese Frage bereits Mitte 2021 durch eine Änderung des Urheberrechtsgesetzes im Grundsatz geklärt. Urheber müssen Eigennutzungsvorbehalte demnach aktiv äußern.

Betrachtet man aber beispielsweise die Nutzung von ChatGPT, ist das Urheberrecht weit davon entfernt, eindeutige Antworten geben zu können. So stellen sich Fragen, ob die KI-Ergebnisse überhaupt einem Urheber zustehen können, und ob dann ein Urheberrecht dem Ersteller des KI-Modells zusteht oder demjenigen, der einen komplexen Prompt, also eine Eingabe an ein KI-System, formuliert hat. In Betracht kommt auch eine Miturheberschaft.

Außerhalb von urheberrechtlichen Fragen wird man heute schon ohne spezielle Gesetze einige Themen beim Einsatz von KI beantworten können. Verlangt ein Arbeitgeber eine persönliche Leistung von seinem Arbeitnehmer, und der Arbeitnehmer lässt stattdessen fehlerträchtige KI für sich arbeiten, wird man dies nicht als Erfüllung der Arbeitspflicht ansehen können. Ähnliches gilt zum Beispiel, wenn ein Designer gerade wegen seiner bekannt hohen Kreativität beauftragt wird, er dann aber schlicht die KI für sich arbeiten lässt.

Bereits jetzt muss beim Einsatz von KI der Datenschutz beachtet werden. Die leicht öffentlich zugänglichen KI-Systeme wie ChatGPT behalten sich in der Regel vor, eingegebene Daten zum Training zu nutzen. Personenbezogene Daten dürfen daher nicht in den Prompt eingegeben werden. Selbst wenn Systeme keinen Trainingsvorbehalt besitzen, wird man genauer prüfen müssen, ob eine direkte Verarbeitung personenbezogener Daten auf den Servern von Dritten datenschutzrechtlich gerechtfertigt werden kann.

Speziell zugeschnitten wurde die KI Verordnung der EU. Das Gesetzgebungsvorhaben startete schon 2021, also vor Beginn von ChatGPT. Die Verordnung zielt darauf ab, Innovationen zu fördern und gleichzeitig das Vertrauen in KI zu stärken. Sie berücksichtigt die Grundrechte und die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger der EU. Die Verordnung verbietet beispielsweise Social Scoring mithilfe von KI (Systeme wie in China, die soziales Verhalten bewerten) und die Emotionserkennung am Arbeitsplatz. Sie enthält auch strenge Vorgaben zur biometrischen Fernidentifikation, um flächendeckende biometrische Überwachung zu verhindern.

Überdies werden Unternehmen beim Einsatz von KI eine dokumentierte Risikobewertung vornehmen müssen, ob sie ein sogenanntes Hoch-Risiko-KI System einsetzen oder nicht. Hoch-Risiko-Systemen wird ein umfangreicher Katalog von Pflichten auferlegt. Ein Beispiel daraus stammt aus dem Bereich des Personalmanagements, wenn die KI bei Auswahl und Bewertung von Bewerbern sowie automatisierter Entscheidungsfindung im Arbeitsverhältnis eingesetzt werden soll. Weniger Pflichten bestehen beim Einsatz von KI-Systemen, die nicht der Hoch-Risiko-Kategorie angehören.

Arbeitgeber werden ihre Anwender von KI-Systemen schulen müssen, damit diese ein hinreichendes Verständnis von KI-Systemen mit deren Potenzialen und Risiken erhalten.

Die Verordnung wird noch Raum für spezialisiertere Rechtsrahmen lassen, insbesondere im Bereich der Generativen Künstlichen Intelligenz (GKI), das sind Modelle, die neue Inhalte in Form von geschriebenem Text, Audio, Bildern oder Videos erzeugen. Es werden zudem Grauzonen bleiben, denn die KI Verordnung konzentriert sich auf Produkte und nicht auf Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten. Hier besteht möglicherweise eine solche Grauzone, da die Grenzen zwischen Forschung und kommerzieller Anwendung nicht immer klar sind.