Multikopter sollen die Luftrettung optimieren

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Weißer Multikopter auf einem Landeplatz

Pilotprojekt in Idar-Oberstein: Nachhaltiges Fluggerät mit elektromotorischem Antrieb bringt Notärzte zur Einsatzstelle

Im Luftraum des Landkreises Birkenfeld soll ab 2024 häufig ein fast unbekanntes Flugobjekt zu sehen sein: Dabei handelt es sich um einen Multikopter vom Typ „VoloCity“, ein senkrecht startendes Luftfahrzeug mit 18 elektrisch angetriebenen Rotoren, dessen Reichweite nur etwa 50 Kilometern beträgt. Die ADAC-Luftrettung will in Zusammenarbeit mit dem Klinikum Idar-Oberstein bei einem Pilotprojekt ausprobieren, ob durch Einsatz eines Multikopters der Rettungsdienst optimiert werden kann.

Für den Rettungsdienst im Großraum Idar-Oberstein stehen bislang der auf einem Sonderlandeplatz in Imsweiler (Donnersbergkreis) stationierte Rettungshubschrauber „Christoph 66“ vom Typ H145 sowie diverse Rettungs- und Notarztfahrzeuge zur Verfügung. Deren Nachteil: Der Hubschrauber ist mitunter bereits im Einsatz, wenn er benötigt wird, und die auf Straßen verkehrenden Fahrzeuge brauchen bei eiligen Fahrten mitunter zu viel Zeit bis zum Eintreffen am Einsatzort. Hier setzt das Pilotprojekt an: Ein auf dem Flugplatz Göttschied beziehungsweise später auf der Hubschrauberlandeplattform des geplanten Anbaus am Klinikum Idar-Oberstein zusätzlich stationierter Multikopter könnte in dringenden Fällen einen Notarzt sehr schnell zu Patienten oder Unfallopfern transportieren, weil er den Einsatzort per Luftlinie anfliegen kann.

Ein weiterer Vorteil des Fluggerätes: Weil die 18 Rotoren des Multikopters durch Elektromotoren und Strom aus einem Akku angetrieben werden, gehen von dem Fluggerät keine Emissionen aus: keine Abgase und kein Fluglärm, allenfalls ein moderates Brummen der Rotoren. Deshalb darf ein Multikopter auch in eng bebauten Wohngebieten und in schwierigem Gelände landen und später wieder starten. Wenn dann noch die Akkus mit ökologisch erzeugtem Strom aufgeladen werden, ist die Nachhaltigkeit dieser Fortbewegungsart vorbildlich. Multikopter werden deshalb vom ADAC unter dem Aspekt von Nachhaltigkeit und Reduzierung des CO2-Abdrucks als „eine große Chance für die Luftrettung“ angesehen.

Hendrik Weinz, Verwaltungsdirektor des Klinikum Idar-Oberstein, geht davon aus, dass das Pilotprojekt im Herbst 2024 gestartet wird. „Unsere Anästhesisten haben mitunter auch schon den Rettungshubschrauber besetzt“, berichtet er über die bewährte Zusammenarbeit mit der ADAC-Luftrettung. Die Planung für den Anbau ans Klinikum, ein Großprojekt, befinde sich noch in der Abstimmung. Von daher sei es offen, ab wann der darauf vorgesehene Hubschrauber- Dachlandeplatz genutzt werden könne. Bis daher müsse der nahegelegene Flugplatz Göttschied genutzt werden. Das Klinikum verfüge aber über einen Nachtflug-geeigneten Hubschrauberlandeplatz, der vom Rettungshubschrauber stark frequentiert werde. Bei dem Pilotprojekt gehe um die Frage, wie man Notärzte schneller in die Fläche bringen könne. Parallel zum Flug des Arztes mit dem Multikopter fahre dann ein Rettungswagen zum Einsatzort, um diesen dann dort zu unterstützen: „Das wäre ein Gewinn für die Region und würde eine Verbesserung der Notarztversorgung bedeuten.“

„Unsere Stadt ist stolz darauf, dass der Einsatz von Multikoptern im Rettungsdienst am Klinikum Idar-Oberstein ausprobiert wird. Es ist wichtig, dass die Möglichkeit geschaffen wird, die Notärzte in der Fläche noch schneller zum Einsatzort zu bringen. Ein Multikopter wäre für unseren Raum zwischen Rhaunen und Herrstein sowie Birkenfeld und Baumholder ideal“, sagt Oberbürgermeister Frank Frühauf.
Die Zusammenarbeit zwischen der gemeinnützigen ADAC Luftrettung und dem Bruchsaler Unternehmen „Volocopter“ beim Einsatz von Multikoptern im Rettungsdienst wurde bei der jüngsten Paris Air Show, der weltgrößten Luftfahrtmesse, verkündet. bekannt. Die ADAC-Luftrettung hat zwei VoloCity zwei Pilotprojekte im Rettungsdienst bestellt. Eines in Idar-Oberstein und ein zweites in Dinkelsbühl (Bayern). Einen entsprechenden Vertrag unterzeichneten Frédéric Bruder, der Geschäftsführer der ADAC-Luftrettung gGmbH, und Dirk Hoke, der Vorstandsvorsitzende von „Volocopter“. Sollten die Pilotprojekte ergeben, dass der Einsatz von Multikoptern beim Transport von Notärzten sinnvoll ist, könnten mittelfristig bundesweit bis zu 150 Multikopter der nächsten Generation in Dienst gestellt werden. Eine Machtbarkeitsstudie, bei der 20.000 Notarzt-Einsätze in Computern simuliert wurden, hatte bereits 2018 bestätigt, dass Multikopter im Rettungsdienst zusätzliche Vorteile erbringen können: „Die Arbeit des Mediziners wird so effektiver und der Multikopter zu einem adäquaten Mittel im Kampf gegen den vielerorts herrschenden Notarztmangel“, so das Fazit dieser Studie. Die ADAC-Luftrettung hält einen schnelleren Transport von Notärzten für besonders wichtig, weil sich die Notarzt-Eintreffzeit in den vergangenen 20 Jahren im Bundesdurchschnitt um fast 40 Prozent verschlechtert habe.

Grundsätzlich können neue Technologien in der Luftfahrttechnik wie der Volocopter dazu beitragen, den Innovationsstandort Deutschland zu fördern, meinen Experten. Der Einsatz von Multikoptern im Rettungsdienst könnte als Grundlage für weitere Einsatzmöglichkeiten dieser Technologie dienen. Zudem könnten auch Staaten von dieser Technologie profitieren, bei denen Hubschrauber im Rettungsdienst bisher nicht vorstellbar oder finanzierbar waren.

Die noch ausstehenden Pilotversuche sollten eigentlich 2023 anlaufen, aber die Markteinführung des „VoloCity“ hat sich verzögert. Deshalb kann dessen Probeeinsatz nun erst 2024 oder vielleicht auch erst 2025 beginnen. Die optimale Fluggeschwindigkeit des Multikopters soll bei maximal 150 Stundenkilometer liegen, als Mindestreichweite werden rund 150 Kilometer gewünscht.

Von Norbert Krupp
Fotos: Volocopter GmbH bzw. ADAC-Luftrettung