Oktober 31, 2025 6 min lesen.
Nicht alle Innenstädte sehen so einladend aus. Viele Verantwortliche machen sich Gedanken, wie sie ihre Fußgängerzonen umgestalten und beleben können – auch außerhalb der Geschäftszeiten.
Foto: Sina Ettmer - stock.adobe.com
Von Petra Dettmer
Innenstädte
Leer stehende Ladenlokale, ungepflegte Plätze und eine trostlose Atmosphäre prägen heutzutage viele Einkaufsstraßen und Fußgängerzonen. Können innovative Konzepte für Einkauf, Wohnen, Arbeiten und Begegnung neue Chancen bringen?
Die deutschen Innenstädte verändern sich rasant. Wo früher der Einzelhandel dominierte, prägen heute Leerstände und wechselnde Konzepte das Bild. Der wachsende Onlinehandel, hohe Mieten und ein verändertes Konsumverhalten haben viele Stadtzentren in die Krise gestürzt. Dass der Wandel auch Potenzial bieten kann – für Städte, die bereit sind, neue Wege zu gehen, beschreibt der Wirtschaftsförderer der Stadt Koblenz, Dr. Stefan Weiler: „Die Menschen kommen nicht mehr nur zum Shoppen, sie suchen Aufenthaltsqualität und Erlebnisse. Pauschale Lösungen gibt es jedoch nicht.“ Stadtzentren müssten ein „buntes Erlebnis“ für ganz unterschiedliche Zielgruppen bieten: eine Mischung von Angeboten, nicht nur zum Einkaufen, sondern auch zu Freizeitgestaltung mit Gastronomie, Kultur-, Sport- und Dienstleistungsangeboten.
Zu diesem Ergebnis kam auch die Deutschlandstudie Innenstadt der CIMA Beratung und Management GmbH. Die Studie greift die viel diskutierten Innenstadtherausforderungen auf und liefert zentrale Erkenntnisse zum Einkaufs- und Mobilitätsverhalten. So sollten Wohnen, Arbeiten, Freizeit, Kultur und Gastronomie künftig Hand in Hand gehen. Ehemalige Kaufhäuser werden zu Co-Working-Spaces oder Kulturorten umgewandelt, leere Büroflächen zu Wohnungen. So bleibt Leben in der Stadt – auch nach Ladenschluss.
Wohnen im Innenstadtbereich ist auch für Dr. Weiler ein wichtiger Aspekt: „Ich kämpfe aktuell sehr in Sachen bezahlbarer Azubi- oder Studierendenwohnungen in der Stadt. Investoren gäbe es sogar, aber leider gibt es baurechtliche Schwierigkeiten.“
Der klassische Einzelhandel muss sich den Veränderungen stellen. Zukunft hat, wer auf Individualität setzt: Pop-up-Stores, regionale Produkte und inhabergeführte Läden geben Innenstädten Charakter. Ergänzt wird das Angebot durch Gastronomie und Märkte. Cafés, Restaurants und kleine Brauereien machen die Zentren wieder zu Orten, an denen man sich trifft und verweilt. Weiler sieht einen Zukunftstrend in sogenannten Live Fabrication Konzepten: „Wir werden in absehbarer Zeit viele hochwertige Geschäfte haben, die auf relativ kleinen Flächen live produzieren. Zum Beispiel individualisierte Kleidung. Sie benötigen ein Hemd oder eine Jeans? Dann werden Sie eingescannt, suchen sich einen Stoff aus und anhand Ihrer Bodymaße wird das Teil innerhalb einer Stunde von einem Nähroboter genäht. Die Zwischenzeit verbringen Sie in der Stadt.“
Auch kulturelle Angebote werden zu Frequenzbringern. Konzerte, Ausstellungen oder Stadtfeste locken Besucher in die Innenstadt – und zwar auch abends oder am Wochenende. Museen, Theater oder Programmkinos mitten im Zentrum sorgen dafür, dass städtisches Leben über den Einkauf hinausgeht.
Eine lebenswerte Innenstadt ist vor allem durch eine angenehme Umgebung geprägt. Sitzgelegenheiten, Bäume, Brunnen und Grünflächen schaffen Atmosphäre. Architektur, Lichtkonzepte und Radwege prägen, wie sich Menschen in der Stadt bewegen und fühlen. Die Aufenthaltsqualität entscheidet darüber, ob jemand bleibt – oder nur die Stadt durchläuft.
Die CIMA Studie bestätigt, dass 54,4 Prozent der Befragten die Aufenthaltsqualität als entscheidenden Faktor für eine attraktive Innenstadt sehen. Mehr als die Hälfte spricht sich für mehr Klimaoasen und schattenspendende Bäume aus. Denn je mehr sich die Innenstädte aufheizen, desto weniger Menschen besuchen sie. Lösungen wären auch Gebäudebegrünungen.

Prof. Poensgen ist Professor für Gebäudelehre und Wohnungsbau an der Hochschule Koblenz. Er erklärt: „Die Begrünung von Hausfassaden wirkt sich ähnlich positiv wie eine Dachbegrünung aus. Fassadenbegrünungen verringern über das Blattwerk und den Verdunstungseffekt ein Aufheizen der Hauswände. Zur hitzeangepassten Quartiersplanung gehört auch ein geringerer Versiegelungsgrad zwischen den Gebäuden, damit Regenwasser besser versickern kann. Bereits in der Entwicklung sind versickerungsfähige Straßenbeläge, die ebenfalls einen gewissen Verdunstungseffekt zulassen.“
Auch digitale Tools können Städten helfen, sich neu zu erfinden. WLAN, smarte Stadt-Apps, digitale Stadtführungen oder Click-and-Collect-Angebote verbinden Online- und Offlinewelt. Der stationäre Handel kann durchaus profitierten, wenn er Social Media nutzt, um Nähe und Sichtbarkeit zu schaffen. Laut CIMA Studie sind unternehmerische Innenstadtakteure aus Gastronomie und Einzelhandel gut beraten, konsistente, kanalübergreifende und attraktive Internetauftritte zu pflegen. Dies könne auf unterschiedlichen Kanälen erfolgen − auf Social-Media-Plattformen, im eigenen Online-Shop oder auf der Homepage. Für Innenstadtbesucher seien diese Auftritte die zweitwichtigsten Informationsquellen nach der persönlichen Empfehlung.
Die Innenstadt der Zukunft ist kein Einkaufszentrum, sondern ein Lebensraum. Sie vereint Wohnen, Arbeiten, Kultur und Erholung. Wer frühzeitig auf neue Ideen setzt, schafft nicht nur Frequenz, sondern Identität. Innenstädte, die heute mutig umbauen, werden morgen die Orte sein, an denen Stadt wieder lebendig ist.
Die Datenbank Stadtimpulse präsentiert vorbildliche Maßnahmen zur Belebung von Innenstädten. Dr. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, lobt die neue Projektdatenbank, die eine wertvolle Hilfestellung bietet: „Innenstädte und Ortskerne müssen angesichts der aktuellen Herausforderungen als Orte der Nutzungsvielfalt, der Kommunikation und der Lebensqualität gestärkt werden. Es gilt, von guten Beispielen der Innenstadtentwicklung zu lernen.“
Hannover: Bewegungs(t)räume Innenstadt
In den Sommern 2022 und 2023 wurden an mehreren zentralen Orten in der hannoverschen Innenstadt temporäre Bewegungs-, Spiel- und Sportmöglichkeiten bereitgestellt. Sie waren öffentlich zugänglich und frei nutzbar. Konkret wurden ein Beachfeld, ein Boulderblock, Gelegenheiten für Tischtennis und Teqball, Skateboard- und Parkourelemente, eine Calisthenics-Anlage sowie ein Basketball-Court realisiert.
Bremen: Pöks
Das Pöks ist ein kostenloses Kinderbetreuungsangebot in der Bremer Innenstadt und lädt junge Familien zum Besuch ein. Als Zwischennutzungsprojekt befindet sich das Pöks in einer zuvor leerstehenden Ladeneinzelhandelsfläche. Während die Eltern einkaufen gehen oder weitere Angebote in der Innenstadt nutzen, werden ihre Kinder bis zu zwei Stunden, maximal zweimal die Woche, kostenfrei im Pöks betreut.
Trier: Die weinzigartigen 80
Am Weinstand am Hauptmarkt präsentieren seit 1984 Weingüter aus der Region ihre Weine. Mittlerweile hat sich der Weinstand als Treffpunkt für Weinproduzenten und Weingenießer als fester Bestandteil der Trierer Genusskultur etabliert. Der Weinprobierstand stellt den teilnehmenden Winzern aus Trier und Umgebung eine Selbstvermarktungsplattform zur Verfügung. Von März bis November bespielen mehr als 80 Weingüter den Weinstand. Dies schafft einen immer neuen Impuls für einen Besuch.
Fulda: Kulturdachgarten „Karlchen vom Dach“
Der Kulturdachgarten befindet sich auf dem Dach des ehemals leerstehenden Kerber Areals mitten in Fulda. Die Fläche wurde 2021 von der Stadtentwicklungsgesellschaft Fulda GmbH & Co. KG erworben und wird seither unter dem Namen „Konzeptkaufhaus Karl“ neu belebt.
Aus dem ehemaligen Parkdeck ist eine gemeinwohlorientierte Kulturfläche entstanden und zu einer grünen Oase mitten in der Stadt geworden. Der Dachgarten bietet einen konsumfreien Raum mit vielseitigem kulturellem Angebot. Zentraler Bestandteil ist eine offene Fläche mit Sitz-, Spiel-, Entspannungs- und Verschattungsmöglichkeiten sowie flexiblen Bühnensituationen. Ergänzt wird das Angebot durch Gastronomiecontainer. Ein weiteres Element ist das Urban Gardening: Hochbeete können kostengünstig gemietet und mit fachlicher Begleitung bewirtschaftet werden.
Das Programm reicht von Yoga und Familienangeboten über DJ-Abende, Public Viewing und Faschingevents bis hin zu Salsa-Veranstaltungen. Ergänzungen wie eine Winter-Eislaufbahn, ein Jugendbereich sowie die neu eröffnete Boulebahn zeigen die kontinuierliche Weiterentwicklung des Konzepts.
Weitere Informationen: https://unsere-stadtimpulse.de

Der Kulturdachgarten „Karlchen vom Dach“ befindet sich auf dem Dach eines ehemals leerstehenden Areals. Er bietet Raum für vielseitige Möglichkeiten: von Entspannung und Urban Gardening über Kulturveranstaltungen bis zu Wintereislaufbahn reicht das Angebot.
(https://www.karlchenvomdach.de/)
Die Deutschlandstudie Innenstadt der CIMA Beratung und Management GmbH zeigt die Gründe auf, warum Menschen Innenstädte für den Einkauf meiden.
Quelle: CIMA

Dr. Stefan Weiler ist Amtsleiter und Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Koblenz. Er setzt sich dafür ein, bezahlbare Wohnungen in der Innenstadt zu schaffen, die ebenfalls zur Belebung beitragen könnten.

„Ein Blick nach Europa zeigt unterschiedliche Ansätze in Richtung zukunftsorientierter Stadtentwicklung: Kopenhagen fördert gezielt den öffentlichen Nahverkehr, während Paris versucht, durch verstärkte Begrünung die Stadt lebenswerter zu machen. Im Mittelpunkt sollte jedoch immer der menschliche Maßstab stehen – also die Frage, wie öffentliche Räume gestaltet und aufgewertet werden können. New York City geht hier beispielhaft voran: Mit seinem Hochwasserschutzkonzept für die Ost- und Westseite der Stadt schafft es gleichzeitig neue Naherholungsräume. Einfach gut!“
Prof. Georg Poensgen, Studiengangsleiter Master-Studiengang Architektur an der Hochschule Koblenz

„Alle Maßnahmen, die der Innenstadtbelebung dienen, sollten mit der Bevölkerung diskutiert werden, um die Bedarfe zu erkennen. Allein das Beispiel konsumfreie Sitzmöglichkeiten zeigt die Bandbreite. Sollen Bänke angeschafft werden, die von der Höhe für Senioren leicht nutzbar sind? Sollen sie gegenüberstehen, um kommunikativ zu wirken oder lieber abseits, etwas ruhiger? Wie sieht es mit Schatten oder Wind aus? Ist der Standort abends beleuchtet? Werden sie abends als Partytreff genutzt? Diese Aspekte müssen alle bedacht werden. Die Innenstadt attraktiver zu gestalten ist jedoch ein langfristiger Prozess. Für mich gehört dazu, eine klimaresiliente, saubere und barrierefreie Innenstadt zu realisieren, in der alle sozialen Gruppen sich wohlfühlen. Wir können jetzt nur einen Grundstein für die nächsten zehn bis zwanzig Jahre legen.“
Astrid Fries, Innenstadtmanagerin der Stadt Koblenz
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