Willkommen? Bürokratie macht Zuwanderung schwer

Oktober 31, 2025 6 min lesen.

Willkommen? Bürokratie macht Zuwanderung schwer

Francisco Masinde, der Gründer von Okki Solutions, heißt Azubi Masudi Ramadhan
willkommen und begleitet ihn zu seinem neuen Ausbildungsplatz im Nürburgring
Congress Hotel.

Foto: privat

Recruiting
Qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland könnten eine Lösung für den Fachkräftemangel sein. Doch bürokratische Hürden, lange Visaverfahren und ein negatives Image stehen im Weg. Ein Überblick über Hindernisse und Chancen.

Deutschland steht vor einer gewaltigen arbeitsmarktpolitischen Herausforderung: Um den aktuellen Beschäftigungsstand zu sichern, müssen jährlich mindestens 300.000 neue Arbeitskräfte gewonnen werden. Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) wären sogar rund 1,5 Millionen Zuwandernde erforderlich, um das Wachstumspotenzial der vergangenen zwei Jahrzehnte zu erreichen. Doch die Verfahren für die dringend benötigte qualifizierte Zuwanderung sind zäh. Besonders der Mittelstand kämpft häufig mit langwierigen und unübersichtlichen Verfahren.

So berichten in Rheinland-Pfalz Unternehmen von teils zermürbenden Prozessen. Die Köllemann GmbH, ein mittelständisches Unternehmen für Förder-, Prozess- und Umwelttechnik in Adenau, suchte aufgrund mangelnder Bewerbungen vor Ort gezielt nach Fachkräften im Ausland, denn „vor Ort können wir nicht eine so große Auswahl an qualifizierten Arbeitskräften bekommen“, erklärt Vertriebsleiter Matthias Ginster. Die Rekrutierung eines Ingenieurs aus der Türkei zeigte jedoch, wie komplex und zeitaufwendig das Verfahren sein kann. Sämtliche Dokumente – von der Geburtsurkunde bis zu Abschlusszeugnissen – mussten übersetzt, beglaubigt und eingereicht werden. Und weil die Bearbeitung so lange dauerte, hatten die Beglaubigungen nach sechs Monaten ihre Gültigkeit verloren und mussten neu beschafft werden. „Das ist irrwitzig“, so Ginster, „eine Geburtsurkunde oder ein Zeugnis läuft doch nicht ab.“ Die Behörden seien überlastet gewesen, Termine wurden immer wieder verschoben. „Letztendlich haben wir ewig gewartet, wurden immer wieder von einem Monat auf den nächsten vertröstet.“

Nach erheblichem Aufwand konnte der Ingenieur schließlich einreisen und arbeitet seit zwei Jahren erfolgreich im Unternehmen. „Der Aufwand hat sich also schon gelohnt. Aber man kann sich vorstellen, dass manch ein Unternehmer auf halber Strecke das Handtuch wirft“, resümiert Ginster. Die Firma plant trotz der Hürden, weiter internationale Arbeitskräfte zu rekrutieren. Es wurde Kontakt zu Auszubildenden aus Kenia geknüpft. Für Personen aus dem afrikanischen Land sind die Verfahren einfacher. Möglich macht dies ein bilaterales Abkommen zwischen Deutschland und Kenia. Partner für die Herstellung der Verbindungen ist das Unternehmen OKKI Solutions International GmbH, das auf die Anwerbung, sprachliche und kulturelle Vorbereitung sowie die Integration von Fachkräften und Auszubildenden aus Kenia spezialisiert ist.

"Man kann sich vorstellen, dass manch ein Unternehmer auf halber Strecke das Handtuch wirft."
Matthias Ginster Vertriebsleiter Köllemann GmbH in Adenau

OKKI Solutions wurde 2017 von Francisco und Jasmin Masinde gegründet, seit 2023 ist Tobias Weiler Geschäftsführer und Partner. Das Unternehmen versteht sich als Fullservice-Dienstleister für internationale Bildungs- und Arbeitskräftemobilität. Es organisiert Sprachkurse, interkulturelle Trainings und unterstützt Arbeitgeber bei der gesamten Abwicklung – von der Rekrutierung bis zum Onboarding. In Zusammenarbeit mit kenianischen Partnerschulen wird ein berufsorientiertes Curriculum angeboten, das die sprachliche und fachliche Vorbereitung bereits im Herkunftsland gewährleistet. Dank bilateraler Abkommen und standardisierter Verfahren können Fachkräfte in der Regel innerhalb von vier bis acht Monaten platziert werden. „Arbeitgeber von Betrieben jeder Größe können sich direkt bei uns melden“, sagt Tobias Weiler. Zielbranchen sind unter anderem Hotellerie und Gastronomie, Pflege, Bau- und Handwerk sowie IT.

Wie groß die Probleme auch in anderen Branchen sind, zeigt ein Beispiel aus der Gastronomie. Sternekoch Thomas Schanz, Inhaber des Drei-Sterne-Restaurants „Schanz“ in Piesport an der Mittelmosel, wollte einen erfahrenen Patissier aus Argentinien einstellen, der bereits in Spanien in der Spitzengastronomie gearbeitet hatte. „Er hatte eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis für Spanien und konnte dort relativ einfach arbeiten – hier war es extrem schwierig“, berichtet Schanz. Die zuständige Ausländerbehörde kündigte eine Wartezeit von sechs Monaten an, einen konkreten Termin konnte niemand nennen. Der Kandidat bemühte sich selbst um Informationen bei der spanischen Botschaft, doch auch dort hieß es, dass eine Tätigkeit in Deutschland nicht unkompliziert möglich sei. „Man konnte uns keinen fixen Termin nennen, es war nicht planbar. Der Mann ist dann abgesprungen, in ein anderes Land gegangen. Niemand der gut ist, lässt sich so lange hinhalten, denn auch er muss planen können.“

"Es ist schade, wenn man nicht frei ist, eine Topkraft einzustellen... alles wäre prima, wenn der behördliche Prozess nicht so langwierig wäre."
Thomas Schanz, Inhaber des Drei-Sterne-Restaurants „Schanz“ in Piesport

Für Schanz ist dies kein Einzelfall. Bewerbungen aus Nicht-EU-Ländern, die er zahlreich erhält,  lehnt er inzwischen ab, weil der zeitliche und organisatorische Aufwand zu groß ist. „Es ist schade, wenn man nicht frei ist, eine Top-Kraft einzustellen. Alles wäre prima, wenn der behördliche Prozess nicht so langwierig wäre. Es müsste eine Art Green Card oder Blue Card geben wie in anderen Ländern“, sagt er. Solange sich die Rahmenbedingungen nicht ändern, bleibt internationale Rekrutierung für ihn kein Thema.

Die zentrale Ausländerbehörde für Fachkräfteeinwanderung in Rheinland-Pfalz mit Sitz in Kaiserslautern ist zuständig für das beschleunigte Fachkräfteverfahren. Bürgermeister Manfred Schulz erläutert die rechtlichen und organisatorischen Möglichkeiten, die Arbeitgeber derzeit haben: „Aus aufenthaltsrechtlicher Sicht bestehen zwei Möglichkeiten, ein Visum zur Einreise nach Deutschland zu erhalten: Zum einen das reguläre Visumverfahren, bei dem die Fachkraft selbst einen Antrag bei der Botschaft stellt, und zum anderen das beschleunigte Fachkräfteverfahren, das der Arbeitgeber bereits vor der Einreise der Fachkraft im Inland beantragt.“

Dieses beschleunigte Verfahren sei ein zentraler Hebel, um die Bearbeitungszeiten zu verkürzen. Es ist eine Vorprüfung des Visumantrags und umfasst auch die Gleichwertigkeitsprüfung ausländischer Abschlüsse sowie die Koordination mit allen beteiligten Stellen – von der Bundesagentur für Arbeit bis zu Anerkennungsbehörden. „Besonders hervorzuheben ist unsere Rolle als Single Point of Contact“, erklärt Schulz. „Der Arbeitgeber hat lediglich Kontakt zu uns, während wir die gesamte Kommunikation mit allen beteiligten Behörden übernehmen und den Prozess koordinieren.“ Dadurch sollen klare Abläufe entstehen, die den Unternehmen mehr Planungssicherheit bieten.

Trotz dieser Strukturen gibt es weiterhin praktische Hürden. Ein wesentlicher Engpass liegt in der Anerkennung ausländischer Qualifikationen. „Ein häufiges Problem besteht darin, dass die ausländischen Unterlagen zur Qualifikation entweder nicht oder nur mit Verzögerung beschafft werden können. Dies führt in der Regel zu einer Verlangsamung des Anerkennungsverfahrens und hat somit auch Auswirkungen auf die Dauer des beschleunigten Fachkräfteverfahrens“, sagt Schulz. Hinzu kommen länderspezifische Unterschiede bei den Anforderungen. In einigen Herkunftsländern müssen Dokumente aufwendig legalisiert werden, was zusätzliche Wochen oder gar Monate in Anspruch nehmen kann.

Um Unternehmen zu entlasten, stellt die Behörde verschiedene Unterstützungsangebote bereit. Auf der Website der Stadt Kaiserslautern finden Arbeitgeber einen Onlineassistenten, der nach Beantwortung weniger Fragen eine individuelle Checkliste generiert. Diese soll helfen, Unterlagen vollständig und korrekt einzureichen. Darüber hinaus bietet die Behörde eine umfassende Beratung im Vorfeld, um die Erfolgsaussichten des Verfahrens realistisch einzuschätzen.

Allerdings, so Schulz, stoßen auch die Behörden an ihre Kapazitätsgrenzen: hohe Antragszahlen, komplexe Einzelfälle und rechtliche Prüfungen führten zu einer Arbeitsbelastung, die kaum mit der Dringlichkeit der Unternehmen Schritt halten könne. Gleichzeitig betont er, dass der rechtliche Rahmen zwar Möglichkeiten biete, die Verfahren effizienter zu gestalten, aber kein Ersatz für fehlende Ressourcen sei. „Wir können Verfahren beschleunigen, wenn alle Unterlagen vorliegen und die Voraussetzungen erfüllt sind. Doch wir sind auf die aktive Mitwirkung der Unternehmen und die vollständige Dokumentation angewiesen“, so Schulz.

Die Beispiele aus Rheinland-Pfalz zeigen, dass die Anwerbung internationaler Fachkräfte für viele Unternehmen weiterhin ein Balanceakt zwischen dringendem Personalbedarf und komplexen rechtlichen Rahmenbedingungen ist. Während einige Firmen – wie Köllemann mit Unterstützung von OKKI Solutions – Wege finden, Prozesse zu bewältigen, scheitern andere an der Länge und Unvorhersehbarkeit der Verfahren. Ob Deutschland im internationalen Wettbewerb um Talente bestehen kann, hängt wesentlich davon ab, ob diese Verfahren vereinfacht und beschleunigt werden.

Welcome Center der IHK Koblenz

Die Industrie- und Handelskammer Koblenz unterstützt ihre Mitglieder bei der Rekrutierung von Fachkräften aus dem Ausland mit Know-how und ihrem großen Netzwerk. Sie berät zu den Fragestellungen:

  • Wie und wo rekrutiere ich im Ausland?
  • Wie kann ich das Auswahlverfahren gestalten?
  • Wo gibt es Sprachkurse?
  • Wie kann ich dafür sorgen, dass eine neue Fachkraft gut bei uns ankommt und sich wohl fühlt?

Die Welcome Center helfen mit ihrem Service und einem individuellen Fahrplan für das An-Bord-nehmen neuer Mitarbeiter und deren erste Schritte am neuen Arbeits- und Wohnort.

Tipps und Informationen der IHK

Make it in Germany
Das Portal der Bundesregierung informiert umfassend sowohl internationale Fachkräfte als auch Unternehmen zum Thema Fachkräfteeinwanderung.

Make it in RLP
Das Portal der Landesregierung Rheinland-Pfalz und der Welcome Center informiert internationale Fachkräfte und Unternehmen zu den Möglichkeiten der Arbeitsmigration in unser schönes Bundesland.

KOFA
Das Kompetenzzentrum für Fachkräftesicherung bietet zu unterschiedlichsten Themen im Bereich Nachwuchs- und Fachkräfte Informationen und konkrete Handlungsleitfäden bzw. Checklisten, unter anderem auch zum Thema Fachkräfteeinwanderung.

Zentrale Ausländerbehörde RLP
Das sogenannte beschleunigte Fachkräfteverfahren als eine wichtige Säule der Fachkräfteeinwanderung erfolgt in Rheinland-Pfalz zentralisiert durch die zentrale Ausländerbehörde für Fachkräfteeinwanderung Rheinland-Pfalz in Kaiserslautern.

BQ-Portal
Das Informationsportal für ausländische Berufsqualifikationen bündelt auf einer Plattform alle relevanten Informationen zu ausländischen Berufsqualifikationen und Berufsbildungssystemen.

Handbook Germany
Das “Handbuch” für Menschen, die aus dem Ausland nach Deutschland ziehen: Wie funktioniert unser Steuersystem? Wie finde ich eine Wohnung oder melde meine Kinder zur Schule an? Worauf muss ich bei einem deutschen Arbeitsvertrag achten? Von A bis Z sind hier alle Informationen rund um Leben und Arbeiten in Deutschland in neun Sprachen zusammengetragen.

Zum Unternehmen

Name: OKKI Solutions International GmbH
Gegründet: 2017 von Francisco und Jasmin Masinde
Geschäftsführer: Thomas Weiler
Standort: Mechernich, weitere Standorte in Köln und Mombasa
Kernkompetenz: Internationales Bildungswesen mit Bezug auf Talent- und Weiterbildungsförderung, Fachkräfteentwicklung in Ostafrika
Mitarbeitende: 25 (6 Deutschland, 19 in Kenia)
Weitere Informationen: https://okki-solutions.com

Portraitbild Matthias Ginster

Matthias Ginster ist Vertriebsleiter bei der Köllemann GmbH in Adenau. Er berichtet von dem langwierigen Prozess, einen qualifizierten Mitarbeiter aus der Türkei einzustellen.

Portraitbild Thomas Schanz

Thomas Schanz führt das Drei-Sterne-Restaurant Schanz in Piesport an der Mosel. Er wäre aufgeschlossen für die Anstellung von internationalen Fachkräften, wenn das Verfahren einfacher und planbarer wäre.

Portrait Manfred Schulz

Manfred Schulz, Bürgermeister der Stadt Kaiserslautern, erklärt für die Ausländerbehörde die Problematik der Prozesse und die fehlenden Ressourcen der Behörde.

Foto: Stadt Kaiserslautern

Portraitbild Tobias Weiler

Tobias Weiler ist Geschäftsführer von Okki Solutions. Die Fullserviceagentur unterstützt Arbeitgeber bei der Anwerbung von Arbeitskräften.

Foto: privat


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