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Oktober 27, 2023 5 min lesen.
Bei der Berufsplanung und dem Jobwechsel ist eine faktenbezogene Planung sinnvoll. Die Fragen, die man sich vor einer Wechselentscheidung stellen sollte, sind: Was wird geboten, was suche ich, welche Auswirkungen hat die Berufsentscheidung auf mich selbst und mein soziales Umfeld? Bei älteren Generationen ging es häufig um ein hohes Gehalt, um Status und Macht mit einer Berufsplanung, die sehr langfristig angelegt war, teilweise über Jahrzehnte. Das hat sich inzwischen geändert. Die Generationen Y und Z planen viel kurzfristiger, die Zyklen beruflicher Veränderung sind kürzer.
Karriereplanung Unsere Arbeitskultur ist im Wandel begriffen. Sie macht Jobwechsel in kürzeren Abständen normaler, hat das Homeoffice als gleichwertige Arbeitsform auf Dauer etabliert und Führung anspruchsvoller gemacht. WIRTSCHAFT fragte den Businesscoach Horst Lempart, wie man unter diesen veränderten Gegebenheiten den beruflichen Werdegang erfolgreich gestaltet.
Horst Lempart richtet den Blick auf die Herkunft des Wortes „Karriere“. Es ist ursprünglich aus dem Französischen des 18. Jahrhunderts entlehnt und bedeutet so viel wie Laufbahn oder Rennbahn. „Es wird deshalb schnell klar, dass beim Planen und Umsetzen einer Karriere der Weg stärker im Vordergrund steht als das Ziel.“ Tatsächlich verbinden die meisten Menschen wie selbstverständlich Karriere mit einer höheren beruflichen Position, die mehr Geld einbringt. Dennoch sei eine Karriere, die uns erfüllt und zufrieden macht, auch in vielen anderen Lebensbereichen möglich. Das werde viel zu selten wahrgenommen, meint Lempart. Für ihn ist es eine Art Lebenskarriere. „Denn wir sind mehr als unser Job.“
Eine berufliche Karriere rein aus dem Bauch heraus zu planen, hält der Businesscoach für riskant. Für Alltagsentscheidungen sei das Bauchgefühl bisweilen hilfreich, denn es sei eine Form von Erfahrungswissen und unterstütze den Menschen dabei, spontane Entscheidungen zu treffen. Bei der Berufsplanung und dem Jobwechsel hält Lempart hingegen eine faktenbezogene Planung für sinnvoller. Es sei wichtig, eine kritische Bestandsaufnahme zu machen und auch Faktoren, die nur mittelbar mit einer beruflichen Karriereentscheidung zu tun haben, kritisch zu prüfen. „Neben den Aspekten, was an Aufstieg und Gehalt geboten wird, spielen auch zahlreiche Auswirkungen auf den Menschen selbst und sein soziales Umfeld eine wichtige Rolle. Mit einem Jobwechsel ist oft ein Ortswechsel und der Verlust von Freundschaften verbunden.“ Wird letztlich eine Wechselentscheidung getroffen, empfiehlt Lempart eine konsequente, strategische Herangehensweise. Ein Zeit- und Maßnahmenplan und ein Finanzplan seien eine große Hilfe. Wechselt man mit Familie, sind frühzeitige Haus- und Wohnungssuche sowie verfügbare Schulen oder Kitas wichtige Themen.
Lempart sieht die Arbeitskultur in Deutschland im Wandel begriffen. Häufigere Jobwechsel, wie sie in den USA oder Großbritannien gang und gäbe sind, werden auch hierzulande immer stärker zu beruflicher Normalität. Für die überwiegende Mehrheit der Unternehmen in Deutschland war über Jahrzehnte Beständigkeit im Lebenslauf von Bewerbern ein besonders hohes Gut. Beständigkeit in der beruflichen Vita stand für Planbarkeit, Sicherheit, Kontrolle. „Inzwischen hat sich bei den Personalabteilungen die Erkenntnis durchgesetzt, dass die enge Kontrolle von Mitarbeitern nicht ursächlich zu besseren Leistungen führt und Sicherheit nicht wirklich möglich ist“, sagt Lempart. Vierzig Jahre für das gleiche Unternehmen zu arbeiten, das gebe es auch heute noch und es sei sehr respektabel. Daneben hätten sich aber in den vergangenen 10 bis 15 Jahren neue Berufsbiografien entwickelt. Zusätzlich zu den häufigeren Jobwechseln gebe es zunehmend Berufswege mit starken inhaltlichen Umbrüchen („Ich wollte mal etwas ganz anderes machen!“), mehrmonatige Sabbaticals, längere Elternzeiten verstärkt auch für Väter, Teilzeit oder Vorruhestand. Lempart stellt fest: „Unternehmen müssen sich heute dem Mitarbeiter anpassen, früher hat man den Mitarbeiter passend gemacht.“
Zum Wandel in der Arbeitskultur gehört auch die Tatsache, dass das Homeoffice, befördert durch die Coronapandemie, inzwischen als gleichwertige Arbeitsform breite Anerkennung gefunden hat. Arbeiten im Homeoffice braucht allerdings Selbstdisziplin. Denn die Lebensbereiche werden immer durchlässiger, die Work-Life-Balance verliert ihre strikte Abgrenzung und geht mehr und mehr ineinander über. „Wenn die Arbeitsergebnisse stimmen, tritt das Wie, nämlich die Arbeitsweise, immer weiter in den Hintergrund“, sagt Lempart. „Diese Veränderungen machen Führung anspruchsvoller. Sie erfordern, das Führen auf Distanz zu lernen, um als Vorgesetzter trotzdem überprüfen und auch kontrollieren zu können.“ Wichtige Voraussetzung dafür sei der Erwerb digitaler Kompetenzen, beispielsweise für die effiziente Durchführung virtueller Arbeitssitzungen. Über die Frage, wer denn am Ende der bessere Boss sei, der harte Hund oder der nette Typ, muss Lempart lachen. „Gesucht wird die eierlegende Wollmilchsau: Hart und weich, kompromissbereit und führungsstark, teamfähig und selbststeuernd. Das kann in Unternehmen durchaus funktionieren. Beschrieben wird es als Ambidextrie, die gleiche Geschicklichkeit beider Hände, wie zum Beispiel beim Klavierspielen.“ Ein Chef könne freundlich sein und sich trotzdem durchsetzen, empathisch sein und sich abgrenzen, sich hart in der Sache zeigen und weich im Umgang.
Auch für den, der sich auf seinem Karriereweg verrannt hat und plötzlich vor einem Scherbenhaufen steht, hat der erfahrene Businesscoach eine Lebensweisheit: „Scheitern gehört auch zur persönlichen Entwicklung. Insofern ist ein Scherbenhaufen eine Gelegenheit, daraus etwas Neues zu machen. Die Japaner haben das zur Perfektion entwickelt: Kintsugi. Zerbrochenes Porzellan wird mit dieser Handwerkskunst meisterhaft wieder zusammengesetzt. So entstehen daraus neue Kunstwerke.“
Zur Person
Horst Lempart, „Der Persönlichkeitsstörer“, Jahrgang 1968, lebt in Koblenz. Er ist systemischer Coach und Supervisor, Speaker und mehrfacher Buchautor. Außerdem ist er Privatdozent an verschiedenen Hochschulen.
Workation
–Der Begriff Workation ist ein Kunstwort, das sich aus den beiden englischen Begriffen Work(Arbeit) und Vacation(Urlaub) zusammensetzt.
Im Auftrag des Technologieunternehmens Ciscohat das Marktforschungsunternehmen YouGov1050 Arbeitnehmer in Deutschland befragt (Juli 2023), die grundsätzlich hybrid arbeiten können. Die Ergebnisse zeigen klare Generationsunterschiede. Demnach planen 33 Prozent der Jüngeren (18 bis 34 Jahre) eine Workation in den nächsten 12 Monaten. Bei den 35- bis 44-Jährigen sind es 21 Prozent und bei den Älteren (älter als 45) nur noch 11 Prozent. Bei den Älteren geben dagegen 80 Prozent an, dass eine Workation für sie unwahrscheinlich ist. Ähnliches zeigt ein Blick zurück. Während 38 Prozent der Jüngeren schon mindestens einmal eine Workation gemacht haben, sind es bei den Älteren nur 18 Prozent (28 Prozent bei den 35- bis 44-Jährigen).
Für die Wahl des nächsten Arbeitgebers ist laut der Cisco-Umfrage bei den Jüngeren die Möglichkeit für Workation bereits ein wichtiges Kriterium: 42 Prozent der 18- bis 34-Jährigen sehen das so, während es nur für 15 Prozent der Älteren ein entscheidender Grund ist (Mittelkategorie 28 Prozent).
Bei 45 Prozent der Unternehmen ist Workation schon erlaubt, bei 52 Prozent allerdings noch nicht. Betrachtet man die Arbeitszufriedenheit insgesamt, ist Workation aber kein zentraler Faktor – auch nicht für die jüngeren Generationen. Über alle Altersgruppen hinweg sind flexible Arbeitszeiten (69 Prozent), gutes Teamklima (68 Prozent), Gehalt (65 Prozent), unkompliziertes Homeoffice (56 Prozent) und eine gelebte Vertrauenskultur (52 Prozent) wichtiger. Die Unterschiede zwischen den Generationen sind hier erstaunlich klein.
Worin sich die Altersgruppen allerdings einig sind: Mit dem Obstkorb im Büro gewinnt man keinen Blumentopf mehr. Er liegt bei allen Altersgruppen auf dem letzten Platz bei den Gründen für Arbeitszufriedenheit.
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