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Juni 30, 2023 5 min lesen.
Der Straßengüterverkehr schlägt mit hohen CO2-Emissionen zu Buche. Am Fahrzeug produzierter Solarstrom kann die Bilanz deutlich verbessern. Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) 2019 in Auftrag gegebene Projekt Lade-PV soll die Marktfähigkeit von PV-Anwendungen im Lastenverkehr demonstrieren. Dazu werden vom Fraunhofer- Institut und weiteren Partnern geeignete PV-Module für eine nachträgliche Aufdachmontage auf Lkws und zur Vollintegration entwickelt.
Mobilität Die Motorhaube schützt den Motor eines Fahrzeugs – aber sie kann noch viel mehr. Dr. Martin Heinrich erforscht am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) das große Potenzial der fahrzeugintegrierten Fotovoltaik.
Vor knapp 70 Jahren, im Jahr 1954, entstand im Forschungslabor der US-Telefongesellschaft AT&T die erste funktionsfähige Solarzelle der Welt. Die Forscher kombinierten nach etlichen Fehlversuchen Silizium mit Bor und Arsen und schufen so eine Energiequelle, die ihre Leistungsfähigkeit allein der Umwandlung von Sonnenlicht in Strom verdankte. Auslöser für dieses Forschungsprojekt war der Wunsch von AT&T, Telefonanlagen auch in abgelegenen Regionen der Welt, beispielsweise in den Tropen, autark mit Strom versorgen zu können.
Wenig später kamen andere amerikanische Tüftler auf die Idee, mit Solarmodulen auf Autodächern zusätzliche Energie für die Stromverbraucher im Fahrzeug zu erzeugen. Aber da die Panels damals noch sehr wenig Leistung erbrachten, verschwanden die ersten US-Prototypen dieser Technologie sehr schnell wieder in der Versenkung. „Audi hat diese Idee in den 1990er-Jahren wieder aufgegriffen und verbaute Solarschiebedächer in seinen Fahrzeugen, um mit dem gewonnenen Strom die Lüftung zu betreiben“, sagt Dr. Martin Heinrich vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE). Aber dann trat die Klimaanlage ihren Siegeszug im Automobilbau an und die Solarmodule auf Autodächern verschwanden erneut.
„Der Strom, der durch Solarpanels auf
dem Autodach oder der Motorhaube
erzeugt wird, ist perfekt dafür geeignet,
die Niedervoltbatterie von E-Fahrzeugen
zu laden. Mit diesem Strom werden
On-Board-Verbraucher wie Klimatisierung
oder Lüftung betrieben.“
Dr. Martin Heinrich, Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme
(ISE)
Heinrich, Experte für fahrzeugintegrierte Fotovoltaik (Vehicle Integrated Photovoltaics, VIPV), sieht seit etwa fünf Jahren eine starke Renaissance für die Integration von Solarmodulen in die Fahrzeugkonstruktion. Er ist ein gesuchter Ansprechpartner für viele namhafte Autohersteller. Entweder bietet er ihnen seine Forschungsergebnisse an oder er wird angefragt, wenn es um die wissenschaftliche Beratung in Sachen mechanischer, elektrischer und designtechnische Einbindung von Fotovoltaikmodulen in Fahrzeugen geht. Das mündet meist in gemeinsamen Projekten, die das ISE bis zur vollständigen Produktentwicklung einschließlich Testverfahren und Kostenrechnungen begleitet.
„Der Strom, der durch Solarpanels auf dem Autodach oder der Motorhaube erzeugt wird, ist perfekt dafür geeignet, die Niedervoltbatterie von E-Fahrzeugen
zu laden. Mit diesem Strom werden On-Board-Verbraucher wie Klimatisierung oder Lüftung betrieben“, sagt Heinrich. Die Forschung habe gezeigt, dass diese Form der Stromeinspeisung sogar besser als erwartet funktioniert. So bleibe die Leistung aus der Hochvoltbatterie ausschließlich dem Antrieb vorbehalten, was wichtig sei, um hohe Reichweite und Effizienz zu erreichen. Die Nutzung des Panoramadachs als Solarpanel sei sogar relativ einfach. „Wir integrieren eine Solarzellenschicht zwischen den zwei Glasscheiben, die für Panoramadächer verklebt werden. Die Dachkrümmung macht die Zelltechnologie ohne Probleme mit“, erläutert Heinrich. Auch die elektronische Anbindung an die Niedervoltbatterie sei erforscht und erweise sich als unproblematisch. Für die Nutzung der Motorhaube als Energiequelle kommt Glas wegen möglicher Unfallfolgen nicht in Frage. Hier greift man als Träger auf Metall oder Faserverbundwerkstoffe zurück. Für Vans oder Lastkraftwagen sieht Heinrich besonders großes Potenzial. Insbesondere Kühlfahrzeuge könnten mit der Umwandlung der Sonnenenergie in Strom auf Temperatur gehalten werden. Auch eine Nutzung für Personenzüge kann sich Heinrich sehr gut vorstellen. „Züge stehen oder fahren viel in der Sonne. Gleichzeitig müssen sie klimatisiert werden. Schienenverkehrsfahrzeuge bieten enorm viel horizontale Fläche, die für Solarmodule prädestiniert sind, um mit ihrem Strom die Klimatisierung, die erfahrungsgemäß immer wieder mal ausfällt, zu gewährleisten.“ Für Boote oder Campingfahrzeuge gibt es mittlerweile schon Nachrüstkits, mit denen, ähnlich dem Gedanken vor 70 Jahren in den USA, mehr Autarkie auch in entlegenen Gegenden möglich wird.
Zum Institut
Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg ist das größte Solarforschungsinstitut Europas. Die 1400 Mitarbeitenden arbeiten für ein nachhaltiges, wirtschaftliches, sicheres und sozial gerechtes Energieversorgungssystem auf Basis erneuerbarer Energien. Neben einer Grundfinanzierung über die Fraunhofer-Gesellschaft finanziert sich das Fraunhofer ISE zu rund 85 Prozent durch Aufträge in den Bereichen angewandte Forschung, Entwicklung und Hochtechnologiedienstleistungen. 2022 betrug der Gesamtetat des Instituts (inklusive Investitionen) 119,3 Millionen Euro.
Zur Person
Dr. Martin Heinrich (38) ist Diplomphysiker. Er schloss 2009 sein Studium an der Technischen Universität Berlin mit Auszeichnung ab. Es folgte ein Forschungsaufenthalt an der Duke University in North Carolina, USA, bis zum Jahr 2010, dem sich ein PhD-Studium an der National University of Singapore (NUS) anschloss. In dieser Zeit hat Heinrich sich intensiv mit der Erforschung siliziumbasierter Solarzellen befasst. Nach Erlangung des wissenschaftlichen Doktorgrads im Jahr2015 arbeitete Heinrich zuerst an der Universität Freiburg, wechselte dann zum Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE). Seit 2021 leitet Heinrich dort in der Abteilung „Module Technology“” die Gruppe „Encapsulation and Integration“, die sich schwerpunktmäßig mit der fahrzeugintegrierten Fotovoltaik befasst.
Blick in die Zukunft
Mit dem Vision EQXX hat Mercedes Benz ein Konzeptfahrzeug vorgestellt, das ahnen lässt, wie effizient, nachhaltig und innovativ die Elektromobilität der Zukunft sein kann. Der Prototyp kommt mit einer einzigen Batterieladung mehr als 1000 Kilometer weit. Das entspricht einem Energieverbrauch von weniger als 10 Kilowattstunden pro 100 Kilometer. Das Exterieur-Design und die ausgefeilte Aerodynamik sorgen dafür, dass ein Luftwiderstandsbeiwert von nur 0,17 erzielt wird. Das elektrische System, das viele Nebenaggregate im Vision EQXX mit Strom versorgt, bezieht zusätzliche Energie aus Solarzellen auf dem Dach, ein System, das gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) entwickelt wurde. Der somit reduzierte Energiebedarf des Hochvoltsystems führt unter dem Strich zu mehr Reichweite. An einem einzigen Tag und unter idealen Bedingungen kann dies bei Langstreckenfahrten bis zu 25 Kilometer Extrareichweite ergeben. Beeindruckend ist auch der Energieeffizienzwert von 95 Prozent. Das bedeutet, dass 95 Prozent der in der Batterie gespeicherten Energie an den Rädern ankommt. Zum Vergleich: Bei einem Fahrzeug mit einem effizienten Verbrennungsantrieb sind es etwa 30 Prozent.
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