Juni 30, 2023 4 min lesen.
Unterstützung Die Zahl der Unternehmerinnen und Unternehmer, die ihr Lebenswerk fortführen möchten, aber keinen geeigneten Übernehmer finden, steigt weiter. Manche Hürden sind hoch, doch eine kluge Vorbereitung kann helfen, sie zu überwinden.
Im Handwerk stehen in den nächsten Jahren allein im Gebiet der Handwerkskammer Koblenz (HwK) mehr als 4000 Betriebe zur Übergabe an. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) schätzt die Zahl bundesweit jährlich sogar auf rund 25 000. Im Jahr 2024 wird es so viele 60. Geburtstage geben wie nie zuvor. Ein Viertel der Inhaber von Handwerksunternehmen ist bereits über 60 Jahre alt. Auf der Suche nach einem Nachfolger sehen sich viele Firmeninhaber mit einer völlig neuen Situation konfrontiert. Im Vorfeld einer Übergabe sind vielfältige Vorbereitungen und Entscheidungen zu treffen. Um den Prozess zu begleiten, hat die HwK im Jahr 2021 die „Nachfolgewerkstatt“ ins Leben gerufen.
Vor allem gute und rechtzeitige Vorbereitung sei essenziell, um die Chancen zu erhöhen, sagt Ralf Hellrich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Koblenz: „Für Unternehmen sind die Attraktivität für Fachkräfte und die Zukunftsfähigkeit durch Digitalisierung, Innovationen, Nachhaltigkeit und Strategie entscheidend für die Übergabefähigkeit.“
Die HwK hilft mit einem umfangreichen Beratungsangebot für Handwerksbetriebe, Gründungsinteressierte und Übernehmende. Zu den kostenfreien Beratungen zählen Betriebsanalyse, Unternehmenswertermittlung, Notfallmanagement und Existenzgründungsberatung. Ergänzend bestehen Angebote für technische Beratung zu Digitalisierung und Energie- und Ressourceneffizienz oder zu rechtlichen Themen wie Vertragsrecht, Gewährleistungsrecht und Mediation.

Mit einem digitalen Fahrplan leitet die Handwerkskammer Koblenz Interessierte Schritt für Schritt durch den Übergabe- oder auch Übernahmeprozess. Alle wichtigen Informationen sind kompakt aufbereitet.
In der Vorbereitung auf den Nachfolgeprozess unterstützt die Nachfolgewerkstatt mit digitalen Werkzeugen zum Erstellen eines Unternehmensexposés oder individueller Übergabefahrpläne oder Übernahmewerkzeuge sowie Downloads von Informationen und Checklisten.
Die Möglichkeit der kostenfreien Platzierung einer Chiffre-Anzeige in der Betriebsbörse der HwK Koblenz und in der bundesweiten Unternehmensbörse „nexxt-change“ wurde durch die Matching-Plattform „Nachfolge-Match“ ergänzt, die eine anonyme Suche für Unternehmen ermöglicht.
Die umfangreichen Leistungen machten auf sich aufmerksam und wurden 2022 ausgezeichnet: Die Nachfolgewerkstatt erzielte beim Europäischen Unternehmensförderpreis eine Platzierung unter den deutschen „Top 10“-Projekten in der Kategorie „Verbesserung der Geschäftsumgebung und Unterstützung des digitalen Wandels“.
„Die Nachfolgewerkstatt der HwK Koblenz bringt die Nachfolge als berufliche Perspektive mehr in die Wahrnehmung junger Menschen“, betont Projektleiterin Claudia Maisner und nennt noch einen weiteren wesentlichen Aspekt: „Ohne Nachhaltigkeit keine Zukunft – und eine Unternehmensnachfolge ist nach wie vor die nachhaltigste Form der Gründung.“
Auch die Industrie- und Handelskammer (IHK) bestätigt, dass die Suche nach Unternehmensnachfolgern immer schwieriger wird. Obwohl viele Betriebe zur Übergabe anstehen, möchten immer weniger Personen selbst Unternehmer werden. Dies geht aus dem aktuellen DIHK-Report zur Unternehmensnachfolge hervor, für den rund 18.000 Kontakte ausgewertet wurden. Demnach informierten sich bei ihrer IHK im Jahr 2021 im Vergleich zu 2019 nur noch halb so viele Personen, die ein Unternehmen übernehmen möchten (2159 im Jahr 2021 zu 4302 in 2019). Auch der Nachfolgereport Rheinland-Pfalz 2022 gibt Aufschluss über Zahlen und Fakten sowie Tipps, wie die erfolgreiche Unternehmensnachfolge gelingt.

Die Beratungsgespräche der Industrie- und Handelskammern mit ihren Mitgliedsunternehmen förderten erstaunliche Aussagen zu Tage: Viele Unternehmen sind auf ihre Nachfolge nicht genügend vorbereitet.
Neben dem Fachkräftemangel steuere die Wirtschaft auch auf eine Unternehmerknappheit zu, so die IHK. Vor allem in Handel, Gastronomie und Dienstleistungen – also den von der Pandemie am stärksten betroffenen Branchen – drohe vielen Unternehmen mangels Nachfolger das Aus. Verstärkend komme hinzu, dass gut qualifizierte Nachfolgewillige angesichts des Fachkräftemangels lukrative Angebote für Beschäftigungsverhältnisse erhalten und sich daher oft gegen den Beruf Unternehmerin oder Unternehmer entscheiden. Vor allem junge Menschen scheuen sich, mit einer Unternehmensfortführung selbst ins Risiko zu gehen. Zunehmende Bürokratie und steigende Energiekosten hemmen zusätzlich die Bereitschaft zum unternehmerischen Engagement.
Die Industrie- und Handelskammern unterstützen zum Beispiel mit Informationsmaterial wie dem Nachfolgefahrplan, Beratungsgesprächen, Notfallhandbuch und Beratungsförderung. Die IHK-Lotsen, ehemalige und aktive Führungskräfte, begleiten kostenfrei bei der Ausgestaltung des Nachfolgeprozesses.
Weitere Information
Weitere Informationen sowie der DIHK-Report und der Nachfolgereport für Rheinland-Pfalz unter:
Ergebnisse aus der Beratung der IHKs
Was Unternehmerinnen und Unternehmer sowie Nachfolgeinteressierte schildern:
Noch mehr spannende Artikel zum Thema Nachfolge in der WIRTSCHAFT 3/2023.
Chefredakteurin
Gudrun Katharina Heurich ist seit 2020 als freie Autorin für die WIRTSCHAFT tätig und übernahm 2023 die Chefredaktion. Die gelernte Redakteurin verantwortet die publizistischen und organisatorischen Redaktionsabläufe und verfasst diverse Artikel zu Wirtschaftsthemen.
Sie möchten mehr zu aktuellen Wirtschaftsthemen erfahren - mit besonderem Bezug auf die Region?
Lesen Sie jetzt die aktuelle WIRTSCHAFT mit dem Code WIR-2802 kostenfrei.
Oktober 31, 2025 6 min lesen.
Fachkräfte aus dem Ausland könnten den Personalmangel lindern – doch viele Unternehmen verzweifeln an Bürokratie und langen Visaprozessen. Beispiele aus RLP zeigen: Es geht auch anders, aber der Weg bleibt steinig.
Oktober 31, 2025 6 min lesen.
Viele Innenstädte kämpfen mit Leerstand und Tristesse – doch es gibt Wege aus der Krise. Neue Konzepte für Wohnen, Arbeiten, Kultur und Handel zeigen, wie Stadtzentren wieder lebendig werden können – als Orte zum Bleiben, nicht nur zum Kaufen.
Oktober 31, 2025 6 min lesen.
Fördergelder sollen Innovationen ermöglichen – doch in der Praxis verlieren viele Betriebe im Antragsdschungel die Orientierung. Zwischen Bürokratie, fehlender Transparenz und Digitalisierungsdefiziten drohen gute Ideen zu scheitern. Wie gelingt Förderung, die wirklich wirkt?
Oktober 31, 2025 6 min lesen.
Die Europäische Union hat die weltweit erste umfassende Regulierung für den Einsatz künstlicher Intelligenz auf den Weg gebracht. Ziel ist es, Transparenz zu schaffen, Risiken zu begrenzen und Vertrauen in die neue Technologie zu fördern. Doch was aus Sicht der Politik als Schutz- und Ordnungsrahmen gedacht ist, sorgt in der Wirtschaft für wachsende Skepsis.