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Dezember 15, 2022 4 min lesen.
Alexander Schäfer wirkt total entspannt. Er ist einer der Geschäftsführer eines Unternehmens, dessen rollende Angebote im Moment alle haben wollen. Und, noch schöner: Er kann diese auch liefern. Also treffen wir heute jemanden, der leichten Herzens durch die wirtschaftlich herausforderndsten Zeiten seit Längerem geht? Nein, dann täte man ihm und allen, die neben ihm für die Fahrrad Franz GmbH Verantwortung tragen, definitiv unrecht. Geschenkt bekommt auch das 1909 in Koblenz gegründete Familienunternehmen nichts, es muss wie jedes andere zur rechten Zeit die richtigen Entscheidungen treffen. Und auch das mit dem Liefern will trotz allen Zuspruchs weiterhin bewerkstelligt sein …
Der Reihe nach: Wir treffen Schäfer in Mülheim-Kärlich, wo sich seit einigen Jahren der Hauptsitz der Firma befindet. Draußen ist es bullenheiß. Das Innere des riesigen Verkaufsraums wird unter anderem mit Solarstrom aus auf dem Dach verbauten Anlagen mit 3000 kWp Bruttoleistung gekühlt. So kann man ganz entspannt die ausgestellten E-Bikes, Lastenräder, Rennmaschinen, Mountain-, Gravel- und Retro-Modelle, die sich heutzutage alle unter dem Gattungsbegriff „Fahrrad“ versammeln, in Augenschein nehmen. Wie behält man als Eigner inmitten solcher Vielfalt den Überblick, und was ist aktuell Schäfers Lieblingsrad? „Eigentlich immer noch mein Rennrad“, schmunzelt er. Aber am häufigsten bewege er zurzeit ein Transportrad eines hessischen Herstellers.
Schäfer vertritt die vierte Inhabergeneration. Nach den Anfängen in Koblenz ist Fahrrad Franz über die Jahre immer größer geworden. „Das ist nicht selbstverständlich, ich blicke auch mit ein wenig Demut auf unsere Geschichte“, sagt er. Natürlich habe man immer die „richtigen Entscheidungen“ getroffen. Aber gleichzeitig habe man auch vom Umdenken in der Gesellschaft profitiert: „Ob das die erste Welle bei den Mountainbikes war oder die jetzige Diskussion vor allem in den Städten – das hat natürlich auf uns eingezahlt.“ Auch die Corona-Pandemie habe ohne Zweifel positive Effekte nach sich gezogen. „Viele Menschen wollten sich allein und somit sicher bewegen.“
Fürs Einzahlen sorgt auch der Umstand, dass Schäfer und seine Mitarbeiter weiterhin ihre Kunden bedienen können. Natürlich haben auch sie mit angespannten Lieferketten zu tun. Aber bei durchschnittlich 2500 bis 3000 ausgestellten Fahrrädern in einer der drei großen Filialen in Mainz, Griesheim und Mülheim-Kärlich sowie zusätzlich gruppenweit etwa 40 000 im Lager ist auch weiterhin für so gut wie jeden Kunden etwas möglich. „Da ist vielleicht nicht immer die Wunschfarbe dabei, oder man muss sich vielleicht einmal auf einen vergleichbaren Hersteller einlassen, aber das ist es auch schon“, berichtet er.
Das Thema Fahrrad ist sehr groß geworden, und es wird so schnell auch nicht mehr kleiner werden. Da ist sich Schäfer sicher. „Sowohl als Sportgerät als auch als Baustein der Mobilitätswende wird es an Bedeutung eher noch zunehmen.“ Dann mal Hand aufs Herz: Wie sieht es denn mit der ganz privaten Mobilitätswende aus? Wie viele Kilometer reißt er denn selbst so in der Woche herunter? „So etwa 50.“ Und wie beurteilt er den Zustand des regionalen Radwegenetzes? „Da hat sich schon viel getan, aber es muss noch viel mehr passieren. Also so manche Ecken …“ Welche? „Also zum Beispiel hinter Moselweiß auf der Bundesstraße, das geht so gar nicht.“
Rund 60 Hersteller hat Fahrrad Franz im Angebot, und aktuell ist man bereits dabei, die Bestellungen für 2024 zusammenzutragen. So schön das für das Unternehmen ist, so kritisch ist das möglicherweise für den einen oder anderen kleineren Händler, der nicht die finanziellen Reserven hat, auf so lange Sicht zu planen und einzukaufen. Dessen ist sich Schäfer durchaus bewusst. Allerdings, auch das sei belegbar, habe Franz andere, positive Effekte auf Marktbegleiter: „Wo wir sind, da bekommt das Thema Rad nochmals eine ganz andere Wahrnehmung und somit auch für alle am Markt einen anderen Schub. Das haben wir etwa bei der Eröffnung der Griesheimer Filiale gesehen.“
Den idealtypischen Kunden gibt es allerdings nicht. „Bei uns geht es wirklich von 0 bis 99 Jahren, vom Baby in der Schale bis zu Senioren mit Handicaps.“ So viel Boom lockt allerdings auch mitunter „Kundschaft“ an, auf die man gern verzichten würde. So weiß Schäfer etwa von diesem skurrilen Vorfall zu berichten: Als man länger als üblich auf die Lieferung eines zuverlässigen und renommierten deutschen Herstellers wartete, fragte man dort nach. Nur um die Auskunft zu bekommen, dass die Ware doch längst unterwegs sei. Des Rätsels Lösung: Abgezockte Ganoven hatten zum Schein eine Spedition gegründet, die Räder abgeholt und nie an den eigentlichen Bestimmungsort gebracht.
Ist man gegen so etwas chancenlos? Abhilfe sollen im Rahmen verbaute Sender schaffen, die immer mehr Hersteller anbieten. Zum Teil schon serienmäßig. Auch an dieser Stelle ziehen die Zweiräder also mit den vierrädrigen „Konkurrenten“ gleich. Wobei Schäfer die Autos und ihre Besitzer nicht als das Feindbild der Radfahrer sieht, als das sie oft gezeichnet werden. Vielmehr ist er auch bei diesem Thema auf eine sehr angenehme Weise entspannt: „Klar, es gibt immer noch rücksichtslose Rüpel. Aber viele Autofahrer nehmen Rücksicht oder halten Abstand. Da ist vieles besser geworden.“
Fahrrad Franz wurde 1909 von Albert Hennes in Koblenz als „Koblenzer Einkaufszentrale“ gegründet. 1934 ging die Firma an Albert Franz über und erhielt ihren heutigen Namen. Vor mehr als 70 Jahren übernahm Hans Schäfer das Geschäft, dessen Familie das Unternehmen bis heute besitzt. Danach wurde es von Rainer und Marlen Schäfer und danach von Ralf und Marco Schäfer geführt. Die heutige Leitung besteht aus Ralf Schäfer mit Alexander und Sebastian sowie Marco Schäfer mit Saskia und Florian. Alle Kinder sind somit in vierter Generation im Unternehmen und haben Aufgaben in der Geschäftsleitung. Der Umsatz liegt bei mehr als 100 Millionen Euro. Fahrrad Franz ist Mitglied der Fahrrad-XXL-Gruppe und hat Standorte in Koblenz, Mülheim-Kärlich, Mainz und Griesheim bei Darmstadt mit insgesamt rund 25 000 Quadratmeter Verkaufsfläche. Die Mitarbeiterzahl beträgt aktuell mehr als 650. Insgesamt stehen in den Lagern etwa 40 000 Fahrräder.
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