Machtspiel Zollpolitik

Juli 04, 2025 4 min lesen.

Prof. Dr. Markus Rudolf und Andreas Böker sprechen im Interview über wirtschaftliche Folgen, geopolitische Herausforderungen und neue Perspektiven für Europa

Interview Die Weltordnung ist im Wandel – nicht zuletzt durch die konfrontative Handelspolitik der USA unter Donald Trump. Die angedrohten Zölle
auf europäische Produkte haben tiefgreifende Auswirkungen auf Finanzmärkte und internationale Wirtschaftsbeziehungen. Prof. Dr. Markus Rudolf
und Andreas Böker sprechen im Interview über wirtschaftliche Folgen, geopolitische Herausforderungen und neue Perspektiven für Europa.

Was bedeuten hohe Zölle für die Weltwirtschaft?
Prof. Markus Rudolf: Zölle behindern den freien Handel, treiben die Preise in die Höhe und führen langfristig zu Wohlstandsverlusten – auf allen Seiten. Historische Beispiele zeigen das eindrucksvoll. Der Smoot-Hawley Tariff Act von 1930 verschärfte die Weltwirtschaftskrise erheblich: Innerhalb weniger Jahre verlor die US-Wirtschaft fast die Hälfte ihres Bruttoinlandsprodukts. Protektionismus destabilisiert Märkte und erschwert langfristige Planungen für Unternehmen. Genau das erleben wir aktuell – insbesondere durch die unberechenbare Politik der Trump-Regierung. Das ist wirtschaftlich, schnell und selbstzerstörerisch. Trump hat das erkannt und wollte die Zölle ursprünglich für 90 Tage aussetzen – bis zum 9. Juli. Zwischenzeitlich hat er aber auch diesen Termin gegenüber der EU Anfang Juni wieder vordatiert. Nach einem Telefonat mit Ursula von der Leyen Ende Mai hat er die Vordatierung wieder zurückgenommen. Andreas Böker: Mich erinnert das stark an die 1970er-Jahre, als das Bretton-Woods-System kollabierte. Der Dollar verlor dramatisch an Wert, der Goldpreis stieg, die Zinsen lagen bei über 20 Prozent. Heute erleben wir erneut tektonische Verschiebungen – mit weitreichenden Folgen für Europa.

Treibt Trump wirtschaftspolitisch an? Prof. Markus Rudolf: Zum einen ist da eine ideologische Abneigung gegen Handelsdefizite. Dabei ist ein Handelsdefizit nicht per se negativ – es bedeutet schlicht, dass die USA mehr konsumieren als sie produzieren. Das konnte sie bisher leisten. Zum anderen spielt die hohe Staatsverschuldung eine Rolle: Rund 4,5 Prozent des US-Bruttoinlandsprodukts (BIP) fließen bereits in den Zinsendienst. Zum Vergleich: In Deutschland sind es lediglich 0,7 bis 0,8 Prozent. Zölle lösen diese Probleme aber nicht.

Warum sind Zölle keine sinnvolle Lösung? Andreas Böker: Weil sie wirtschaftlich ineffektiv sind. Die EU hat zwar einen Handelsüberschuss gegenüber den USA von 150 Milliarden Euro – dem steht aber ein Defizit im Dienstleistungsbereich von 100 Milliarden gegenüber. Der Nettoüberschuss beträgt ebenfalls nur rund 50 Milliarden Euro. Selbst ein Zoll von 20 Prozent würde nur 10 Milliarden generieren – das sind gerade einmal 1,25 Prozent des Handelsvolumens. Für diese geringe Wirkung lohnt sich die Eskalationnicht.

Funktioniert Trumps Idee „Make America Great Again“ wirtschaftlich? Andreas Böker: Ganz klar: nein. Trumps Politik untergräbt das Vertrauen in die USA – sowohl bei internationalen Partnern als auch innerhalb der Bevölkerung. Wir bei Böker & Paul haben mittlerweile sämtliche US-Staatsanleihen aus unseren Portfolios entfernt – das hat es bei uns noch nie gegeben. Die Inflation in den USA steigt, die Kaufkraft sinkt, das Wirtschaftswachstum ist rückläufig, Lieferengpässe sind spürbar. Das alles widerspricht den vollmundigen Trumps.

Könnten sich hieraus auch Chancen für Europa ergeben? Prof. Markus Rudolf: Das ist tatsächlich der Fall. Die Amerikaner machen ökonomische Fehler: Früher war der Dollar ein sicherer Hafen, heute erleben wir Kapitalabflüsse aus den USA nach Europa, Bond-Preise sinken, Zinsen steigen. Der US-Dollar hat in den letzten Wochen gegenüber dem Euro an Wert verloren. Allein von Januar bis Ende April hat sich das Verhältnis von 1,03 Dollar pro Euro auf 1,13 Dollar pro Euro verschoben. Das Geld sucht europäische Anlagemöglichkeiten und nicht amerikanisch. Der Kapitalabfluss aus den USA nach Europa ist bereits ein klarer Vertrauensbeweis. Der Dollar verliert an Stärke, europäische Märkte gewinnen an Attraktivität. Europa gilt aktuell als sicherer und stabiler Investitionsstandort – und das sollte strategisch genutzt werden.

Wie sollte Europa auf die US-Zöllereagieren?
Dr. Markus Rudolf: Eine Option wären Gegenzölle, eine andere ein gelassener, diplomatischer Umgang. Laut einer WTO-Studie könnten die Europäer in einigen Fällen sogar davon profitieren, wenn sie auf Gegenmaßnahmen verzichten. Die Welt reagiert unterschiedlich: China setzt auf aggressive Gegenzölle, die Schweiz hingegen auf stille Diplomatie statt Konfrontation. Sie nehmen teurere Exporte im Kauf, um wichtige Importe günstig zu halten. Letzteres kann eine langfristig nachhaltige Strategie aus ökonomischer Sicht sein. Aus politischer Sicht mag die Beurteilung anders ausfallen.

Ist Europa ausreichend auf die geopolitische Realität vorbereitet? Prof. Markus Rudolf: Wir befinden uns in einem Systemkonflikt – USA versus China. Europa steht geografisch und politisch dazwischen. Die Zeit des „Wandels durch Handel“ ist vorbei, wir erleben eine Blockbildung. Europa muss eine unabhängige Strategie entwickeln, statt sich an Washington anzulehnen – auch unter einem künftigen US-Präsidenten. Wirtschaftlich sind wir den USA ebenbürtig – dieses Selbstbewusstsein können wir nutzen. Andreas Böker: Dem kann ich nur zustimmen. Europa sollte eine Politik verfolgen, die auf Ausgleich und Partnerschaft setzt – durch neue Handelsabkommen und Zollregelungen. Schließlich finden 80 Prozent des Welthandels ohne die USA statt. Wenn sich die US-Regierung durch provokante Maßnahmen weiter isoliert, könnte der Dollar seine Rolle als Weltleitwährung möglicherweise verlieren. Diese Risiken sollten in Washington sehr ernst genommen werden.

Wie sehen Sie die Zukunft für Deutschland und Europa? Prof. Markus Rudolf: Die Stimmung bessert sich. Zwar erwarten die Wirtschaftsweisen für 2025 ein Nullwachstum, doch der IFO-Geschäftsklimaindex zeigt wieder Zuversicht. Neue Investitionsprogramme wirken. Die Phase der Stagnation scheint sich dem Ende zu nähern – in Deutschland und europaweit. Doch die Risiken durch geopolitische Konflikte bleiben. Die Märkte reagieren sensibel auf externe Einflüsse. Aus wissenschaftlicher Sicht blicke ich mit Spannung auf die kommenden Monate: Wir stehen an einem wirtschaftlichen Wendepunkt – und lernen gerade viel über Märkte, politische Dynamik und ökonomische Zusammenhänge. 


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