September 02, 2025 5 min lesen.
Offenheit, Respekt und Zuhören gehören zu den Leitlinien der Dr. Eckel Animal Nutrition. Kurze Wege und flache Hierarchien fördern die Kommunikation weiß Dr. Viktor Eckel, der sich gerade mit Kollegen aus Russland, Norwegen und Kenia im Lager bespricht. Foto: Dr. Eckel Nutrition
Diversity
Diversity Eine starke Strategie für Diversität und Inklusion ist für Unternehmen zunehmend wichtig. Studien zeigen, dass Unternehmen mit vielfältigen Teams höhere Rentabilität und mehr Wertschöpfung erzielen.
In Zeiten, in denen Diversität in vielen Unternehmen noch als strategische Herausforderung gilt, zeigt ein mittelständisches Unternehmen aus der Agrarbranche, dass Vielfalt auch ohne große Programme ein gelebter Teil der Unternehmenskultur sein kann – und sogar ein echter Wettbewerbsvorteil ist.
Für Dr. Viktor Eckel, Geschäftsführer der Dr. Eckel Animal Nutrition in Niederzissen, ist Vielfalt sowohl im privaten als auch geschäftlichen Leben selbstverständlich. „Ich kenne es von Kind an gar nicht anders“, sagt er. „Meine Mutter hat die Firma vor mehr als 30 Jahren gegründet. In einer Zeit, in der weibliche Unternehmerinnen nicht so üblich waren und dann auch noch in einer sehr männerdominierten Branche. Deshalb ist Geschlechtergleichstellung auch heute für meine Mutter und mich immer noch ein wichtiges Thema.“
Die mittlerweile 80 Mitarbeitenden des Unternehmens kommen aus 20 Nationen. Sie entwickeln und vertreiben phytogene Futtermittelzusatzstoffe in rund 50 Länder weltweit. Vielfalt war dabei nie ein Ziel auf dem Papier, sondern entstand aus Überzeugung – und ganz praktischer Notwendigkeit: „Wenn man global arbeitet, braucht man Menschen, die die Kulturen, Sprachen und Denkweisen der Märkte verstehen“, sagt Eckel.
Gendergerechtigkeit sei im Unternehmen nie durch Quoten geregelt worden, trotzdem sind heute rund die Hälfte der Mitarbeitenden Frauen – auch in Führungspositionen. „Es war für uns eine Herzensangelegenheit, weil es gleichzeitig die Vereinbarkeit von Karriere und Care-Arbeit betrifft. Es gibt immer individuelle Lösungen. Ich selber lebe es vor: Jeder im Haus weiß, dass ich zwei Mal die Woche früher gehen muss, weil ich die Kids vom Kindergarten abhole.“ Ähnlich selbstverständlich geht man mit anderen Diversitätsaspekten um: Mitarbeitende mit unterschiedlichen Bildungswegen arbeiten gemeinsam an Produktentwicklungen – ganz bewusst, denn: „in vielen Teams beziehen wir verschiedene Bildungshintergründe ein, denn ein homogenes Team bringt selten neue Ideen. Gerade in kreativen Prozessen profitieren wir extrem von Perspektivenvielfalt.“
Eine ausgearbeitete Diversity-Strategie sucht man hier vergeblich. Stattdessen gibt es Team-Guidelines mit klaren Werten: Offenheit, Respekt, Zuhören. Diese Leitlinien prägen das tägliche Miteinander – ob bei der Arbeit im Labor, im Vertrieb oder beim interkulturellen Austausch, der besonders am deutschen Diversity-Tag gelebt wird. Der bundesweite, in Unternehmen stattfindende Aktionstag wurde von der Charta der Vielfalt e. V. initiiert.
Seit drei Jahren feiert auch das Niederzissener Unternehmen diesen Tag mit einem gemeinsamen Mittagessen. Jeder bringt eine kulinarische Köstlichkeit mit: Gerichte aus der Heimat oder einfach etwas, worauf man Lust hat. Alle sind begeistert von der neuen Tradition. „Essen ist Ausdruck von Kultur, man kommt leicht ins Gespräch. Und manchmal ist man überrascht, wie ähnlich sich Gerichte aus völlig unterschiedlichen Regionen sind – ich hätte nicht gedacht, dass es so viele Varianten von Kohlrouladen gibt“, sagt Eckel lachend.
Trotz aller Erfolge gibt es auch Schattenseiten. Gerade bei der Einstellung internationaler Fachkräfte stößt das Unternehmen immer wieder auf bürokratische Grenzen. „Wir konnten tolle Leute gewinnen, aber haben auch welche verloren, weil sie an der deutschen Bürokratie gescheitert sind – obwohl sie hochqualifiziert waren“, bedauert Eckel.
Auch große Unternehmen wie die Siemens AG haben die Diversität für sich als Wettbewerbsvorteil entdeckt. Hanna Hennig, CIO, sieht großes Potenzial für Frauen im MINT-Bereich. „Obwohl Deutschland mit einem Gleichstellungsindex von 72 Punkten über dem EU-Durchschnitt liegt, bleibt Luft nach oben. Mehr Frauen in technischen Berufen bringen laut Studien nicht nur innovativere Ideen und bessere Entscheidungen, sondern auch wirtschaftliches Wachstum: Das EU-BIP könnte bis zu 2050 um bis zu drei Prozent steigen“, schreibt sie in einer Kolumne auf dem CIO-Portal. Mit der #BeSeen-VideoKampagne stellt Siemens Mitarbeiterinnen vor, die in MINT-Jobs Führungspositionen einnehmen, um sie sichtbar zu machen.
Auch für den Telekommunikationsanbieter 1&1 in Montabaur ist Vielfalt ein wesentlicher Bestandteil der Unternehmenskultur. Sie fördere Offenheit, gegenseitigen Respekt und den Austausch unterschiedlicher Sichtweisen, was wiederum zu besseren Entscheidungen und einem gestärkten Teamgeist führe. Ziel sei es, die Hürden in Bezug auf Chancengleichheit zu identifizieren, abzubauen und voneinander zu lernen – über alle Bereiche hinweg. Als Unterzeichner der Charta der Vielfalt verpflichtet sich das Unternehmen, ein wertschätzendes und respektvolles Arbeitsumfeld zu schaffen. Zudem wurde vor zwei Jahren mit allen Geschäftsbereichen ein Diversity-Leitbild formuliert, das die Schulung der Belegschaft, die Steigerung des Frauenanteils in Führungspositionen und die Ausarbeitung eines Aktionsplans Inklusion in den Fokus stellt.
„Beim Thema Frauen in Führung müssen wir uns auch mit in der Gesellschaft verankerten Rollenbildern zum Geschlecht auseinandersetzen, die sich zwar langsam verändern, aber immer noch vorhanden sind“, erklärt Personalvorstand Markus Huhn, „sei es beim Thema Entscheidung für einen technischen Ausbildungs- oder Studiengang oder beim Thema Übernahme von Care-Verantwortung. Hier möchten wir gezielt unseren Beitrag leisten, strukturelle Hürden und Stereotypen zu überwinden.“ So habe sich das Unternehmen beispielsweise Anfang dieses Jahres der Initiative „Klischeefrei“ angeschlossen, die eine klischeefreie Berufswahl fördert. Außerdem werde den Mitarbeitenden in Zusammenarbeit mit dem pme familienservice ein Employee Assistance Programm angeboten, das die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützt. Zudem werden weitere Möglichkeiten zum Ausbau von Unterstützungsangeboten zur Kinderbetreuung geprüft. „Wir haben dabei gelernt, dass es nicht nur darum geht, Frauen in den Blick zu nehmen, sondern auch unsere männliche Belegschaft – etwa mit Angeboten, die sich speziell an Väter richten – anzusprechen“, so Huhn. Das mit dem HR excellence Award ausgezeichnete Talentprogramm „Women explore“ bietet zudem weiblichen Talenten im Unternehmen die Möglichkeit zum Networking, zum Mentoring durch weibliche Role-Models aus leitenden Funktionen und Austausch in einem vertraulichen Rahmen. Auch in diesem Programm werden gezielt männliche Führungskräfte im Sinne von „Male Allyship“ als Mentoren mit eingebunden.
Vor drei Jahren hat sich ein Diversity-Netzwerk namens „Generationenübergreifende Zusammenarbeit“ aus der 1&1 Belegschaft gebildet, das etwa in Netzwerktreffen oder Impulsvorträgen für das Thema sensibilisiert und die Vorteile einer altersgemischten Zusammenarbeit aufzeigt. Zuletzt ging es dabei zum Beispiel um das Thema „Blick unterschiedlicher Generationen auf den Umgang mit KI“.
„Nicht zuletzt haben wir eine aktive Queer-Community, die die Belegschaft zum Themenfeld LGBTIQ sensibilisiert und als vertrauliche Anlaufstelle fungiert, um etwa bei einer Transition zu unterstützen“, sagt Markus Huhn. „Für dieses Engagement wurden Mitarbeitende in der Vergangenheit mehrfach von der Stiftung ‚Prout at Work‘ als ‚Prout Performer‘ ausgezeichnet. Darüber hinaus werden seit Ende letzten Jahres alle Beschäftigten mit einem verpflichtenden E-Learning zu ‚Diversity and Inclusion‘ geschult. Hierbei wird insbesondere über das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, Meldewege über Vertrauenspersonen, das Complianceteam und den anonymen Kanal der Integrity Line informiert.“
Auch die Debeka engagiert sich für Vielfalt und Chancengleichheit innerhalb des Unternehmens, wie Vorstandsvorsitzender Thomas Brahm betont. Diversität sei kein Pflichtthema, sondern gelebte Selbstverständlichkeit. „Die Debeka ist überzeugt davon, dass Vielfalt und heterogene Teams eine Bereicherung für jedes Unternehmen sind.“ Zu einer offenen Unternehmenskultur gehörten Maßnahmen zur Inklusion wie die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung, aber auch gezielte Sensibilisierungsmaßnahmen wie den „Generationen-Check“. Hier treffen Baby Boomer, Gen X, Millennials sowie Gen Z aufeinander, um Vorurteile abzubauen und um ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das durch Respekt, Toleranz und Fairness geprägt ist.
„Wir fördern die Offenheit im Umgang mit der sexuellen Orientierung beziehungsweise geschlechtlicher Identität, indem wir keine Differenzierung vornehmen“, sagt Brahm. „So gewähren wir bereits seit Jahrzehnten alle Sozialleistungen auch für gleichgeschlechtliche Beziehungen.“ Alle Mitarbeitenden der Debeka sind zudem verpflichtet, das Lernprogramm zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) innerhalb von vier Monaten nach Eintritt ins Unternehmen zu absolvieren und regelmäßig aufzufrischen. „Gibt es dennoch Beschwerden über Benachteiligungen oder Belästigungen, stehen verschiedene Anlaufstellen zur Verfügung.“
Unterm Strich ist Diversität für Unternehmen kein „nice to have“, sondern ein echter Erfolgsfaktor – wirtschaftlich und kulturell. „Wenn man die Stärken unterschiedlicher Menschen richtig einsetzt, profitiert das gesamte Unternehmen“, resümiert Dr. Viktor Eckel. Und gerade in Zeiten des Fachkräftemangels könnte dieser Ansatz Schule machen.
Von Petra Dettmer
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